Mastodon

Zur Geschichte des Volksparks Rehberge:
Erholung für alle

Vor fast 100 Jahren, genau genommen 1929, eröffnete der wohl schönste Park des Weddings: der Volkspark Rehberge. Doch wie kam es eigentlich dazu? Und was tut sich zwischen Plötzensee und Düne?

Im Rahmen einer Freiluftausstellung zeigt die Initiative Parkcafé Rehberge die beeindruckenden Transformationen des Gebiets sowie die Zukunftspläne fürs Parkcafé.

Im Rahmen von Umbauplanungen ist ein Blick in die Vergangenheit obligatorisch. So auch für die AG Bau der Initiative. Im Landesarchiv Berlin tauchten neben alten Grundrissen des Parkcafés auch zahlreiche Fotos auf, die vom enormen Stadtwachstum des 20. Jahrhunderts und von tiefgreifenden landschaftlichen Eingriffen zeugen.

Ende des 19. Jahrhunderts lagen die Rehberge noch am Stadtrand. Sandige Hügel, waldartige Stellen und feuchte Wiesen kennzeichneten die Landschaft. Landesarchiv Berlin, F Rep. 290-01-01 Nr. 923 / Foto: Schwartz, F. Albert

Zwischen Sand und Sumpf

Im 19. Jahrhundert lag der Wedding noch am Rande der Großstadt. Entlang der Müllerstraße standen nur vereinzelt Gebäude und die Rehberge waren eine sandige, in Teilen auch sumpfige Landschaft. Der frühere Parkdirektor Franz Affeld schreibt, dass um 1848 umfangreiche Erdarbeiten auf dem Gelände begannen, um mit dem Sand die Jungfernheide trockenzulegen. Zudem soll der Sand damals als Trittschalldämmung in der stark wachsenden Stadt gefragt gewesen sein. Nicht nur die Bauwirtschaft, sondern auch das Militär interessierte sich für das Gelände: Auf dem Gebiet des heutigen Goetheparks etwa befanden sich Schießstände, nicht weit von der militärischen Badeanstalt am Plötzensee entfernt. 1900 erscheinen schließlich Pläne für die Stadterweiterung entlang der See- und Müllerstraße.

Der Rathenaubrunnen am höchsten Punkt der Düne
Der Rathenaubrunnen am höchsten Punkt der Düne

1911 veröffentlichte Carl Hagenbeck, bekannt durch den nach ihm benannten Hamburger Tierpark, seine Visionen für die Rehberge. Neben Tieren wollte er hier auch Menschen aus den afrikanischen Kolonien zur Schau stellen. Seine Versuche, das Gelände zu erwerben, scheiterten jedoch. Fehlte ihm das Geld? Haben Lokalpolitker*innen die Pläne vereitelt? Oder kam schlicht der Erste Weltkrieg dazwischen? Verschiedene Gründe werden in den Quellen genannt. Dennoch setzte sich etwas davon fest: Die Straßenbenennung im Afrikanischen Viertel rührt eben aus jener Zeit, als gewaltvolle Kolonisation und menschenverachtende Exotisierung breiter Konsens waren. Über die fortwährende Präsenz dessen klären die Dekolonialen Stadtführungen von Justice Mvemba auf.

Franz Affeld zufolge soll der Baumbestand 1918 noch dem des Tegeler Waldes geglichen haben. Nach Kriegsende wurde er jedoch für Feuerholz gerodet, sodass eine kahle, dünenartige Landschaft zurückblieb. Ob sie auch als Filmkulisse herhielt und was aus dem letzten verbliebenen Sandhügel geworden ist, das erkundeten die Kunstschaffenden Constanze Fischbeck und Sven Kalden für ihr Buch „Düne Wedding“. 1922 gab Stadtgartendirektor Albert Brodersen Pläne für einen Volkspark bekannt. Damals war das Gebiet noch von kleinen Hütten umgeben. Ein Zehntel der 330.000 Weddinger*innen hatte Ende der 1920er-Jahre keine oder nur gering bezahlte Arbeit. 20.000 Menschen suchten eine Wohnung. Einige von ihnen ließen sich am Rande der gerodeten Rehberge nieder und bauten Gemüse in den feuchten Wiesen an.

Schillerpark (links), Goethepark (rechts) und Volkspark Rehberge (unten rechts) und die breite Seestraße im Jahr 1930.Landesarchiv Berlin, F Rep. 290 (02) Nr. II13244 / Foto: k. A.

Aktive Erholung: Der Park als Ventil

Der Volkspark war als sozialer Freiraum im dicht bebauten Wedding gedacht, in dem viele gering bezahlte Arbeiter*innen lebten. Anders als bei anderen Grünanlagen jener Zeit üblich, war das Betreten des Rasens ausdrücklich erwünscht: Hier sollten Erwachsene und Kinder gleichermaßen zusammenkommen, Sport treiben, spielen und gärtnern können. Damit neue Bäume gedeihen konnten, wurde stellenweise Mutterboden aufgetragen, der unter anderem aus dem U-Bahn-Bau stammte. 1926 begann die Umgestaltung des Areals im Rahmen sogenannter Notstandsarbeiten, zu denen Erwerbslose herangezogen wurden. Im Juni 1929 eröffnete der Park schließlich mit einem großen Fest mit zehntausenden Gästen.

Die Eröffnung des größten Volksparkes in Berlin! Der Goethepark, die ehemaligen Rehberge in Berlin-Wedding, eine der schönsten und größten Anlagen Berlins, wurde unter Anwesenheit von über 20.000 Kindern und zehntausenden von Zuschauern feierlichst eröffnet. Blick auf die riesige Spielwiese des neuen Volksparkes nach der Eröffnung.

Im Nationalsozialismus wurde der Park weiter ergänzt, beispielsweise um die Freilichtbühne (das heutige Freilichtkino) und die Statue „Ringer“, die an der Catcherwiese beim Parkcafé aufgestellt wurde. Hingegen entfernte man 1934 den von Georg Kolbe gestalteten Rathenaubrunnen, um ihn einzuschmelzen. Er erinnerte an den 1922 ermordeten jüdischen Außenminister Walther Rathenau und seinen Vater Emil.

Den Zweiten Weltkrieg scheinen Bäume und Baubestand gut überstanden zu haben. 1953 wurden Teile des Volksparks zum Landschaftsschutzgebiet erklärt. Zugleich waren die Rehberge nun Schauplatz von Theateraufführungen, Ferienprogrammen und Sportfesten. Um 1974 überlegte der Senat, einen Autobahnabschnitt unmittelbar am Park vorbeizuführen. Dazu gab es Pläne, sie mit einem großen Wohnkomplex einzuhausen, ähnlich der Autobahnüberbauung am der Schlangenbader Straße. Dass es nicht dazu kam, haben wir der Bürgerinitiative Westtangente zu verdanken.

Im Laufe der nun fast 100 Jahre haben die Bäume eine stattliche Größe erreicht. An vielen Stellen wirkt der Park geradezu verwildert und gleicht einem Wald, dessen Schatten selbst an den heißesten Sommertagen Abkühlung bietet. Im Norden, umweit des Kurt-Schumacher-Platzes, kümmert sich seit 2012 der NABU darum, dass die letzte verbliebene Düne nicht zuwuchert. Bei der Pflege sind auch Neulinge willkommen!

Jenseits von Stadion und Tennisplätzen gibt es kaum noch größere Sportveranstaltungen. Auf der Wiese zum Goethepark trainieren regelmäßig Cricket-Spieler*innen. Und einmal im Jahr findet der Rehberge-Lauf statt.

Von der Umkleide zum Parkcafé

Während die Freilichtbühne und das gegenüberliegende Gasthaus „Schatulle“ den Norden des Parks beleben, ist das frühere Parkcafé an der zentralen Catcherwiese seit längerem verwaist.

Das Gebäude wurde 1929 nach Plänen von Friedrich Hellwig als Umkleidehaus mit WCs und Waschräumen errichtet. Zur Wiese hin befand sich eine „Verkaufshalle“ (Kiosk) mit „Erfrischungsraum“. Dieser wurde um 1950 zum „Schankraum“ erweitert und dazu eine Küche sowie separate WCs angebaut. Statt der Umkleiden nahm nun der „Neue Saal“ den Mittelteil des Gebäudes ein. Im hinteren Teil des Hauses gab es weiterhin öffentliche WCs. Bald war das Gebäude als Parkcafé Rehberge bekannt. Bis 2014 wurden an der Terrasse Pommes und Kuchen serviert, während im Saal Feiern und andere Veranstaltungen stattfanden.

Seit 2022 organisiert die Initiative Parkcafé Rehberge bzw. der Parkcafé Rehberge e.V. Veranstaltungen vor dem Gebäude.. Sie machen auf das Potential des Ortes aufmerksam, für dessen Wiedereröffnung sich die Initiative einsetzt.

Statt Stillstand neues Leben

Doch das Parkcafé soll wiedereröffnen – als Café und als Raum für Kultur, Jugend und Stadtgesellschaft. Dazu hat sich 2020 die Initiative Parkcafé Rehberge formiert und dann der Parkcafé Rehberge e.V. gegründet. Bereits seit 2022 organisieren die rund fünfzig Freiwilligen Konzerte, Theater, Filmabende und vieles mehr auf der Terrasse vor dem Café. 2021 gewann der Verein das Interessensbekundungsverfahren (IBV) des Vereins und sicherte sich Gelder der Lotto-Stiftung, unter der Bedingung konkrete Umbaupläne und Pachtvertrag vorzulegen. Den Bauantrag reichte der Verein nun im Frühling 2025 ein. Der vom Bezirksamt Mitte versprochene Pachtvertrag fehlt allerdings immer noch.

Die AG Bau der Initiative Parkcafé Rehberge hat das Gebäude eingehend untersucht. Hier zu sehen ist der Bestand, Jogels Architektur erstellte die Umbaupläne, die im Rahmen der Ausstellung „Gestern, heute, für immer: Parkcafé Rehberge“ gezeigt werden.

Die Umbaumaßnahmen umfassen unter anderem neue Eingangstüren und Fenster, ebenso werden WCs, Küche, Heizung und Elektroinstallationen erneuert. Durchgangsbreiten und Bewegungsflächen werden rollstuhlgerecht gemacht. Für den Saal sind ein Schwingboden und Bühnenelemente geplant. Im hinteren Bereich werden wir einen Vereinsraum und ein Büro schaffen.

Wer die genauen Pläne sehen möchte oder sich für die Geschichte der Rehberge interessiert, sollte unbedingt die Freilicht-Ausstellung der Initiative Parkcafé Rehberge besuchen. Zur Eröffnung am 6. Juni ab 17 Uhr sind Führungen und ein großes Abendessen mit Mitgliedern von Initiative und Verein sowie mit Zeitzeug*innen und Lokalpolitiker*innen geplant.

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

nachoben

Auch interessant?