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Ein besonderer Beruf:
Bestatter im Wedding: Nicht nur zuhören, sondern verstehen lernen

Obwohl viele Menschen in meinem Alter glücklicherweise nicht mit Bestattern in Berührung kommen, hat es mich interessiert zu verstehen, wie Menschen als Bestatter enden. Enden hat eine deutlich negative Konnotation, aber meine ursprüngliche Frage war es wirklich: Wie kommt jemand dazu, sich nach der Schulzeit einem Beruf zu widmen, der sich vorrangig mit dem Ende eines Menschen beschäftigt? Ausgehend von dieser Frage, war mein Interesse geweckt, mit Bestattern ins Gespräch zu kommen.
9. August 2021
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Um die Hin­ter­grün­de bes­ser ver­ste­hen zu kön­nen und unter­schied­li­che Ein­bli­cke in den Beruf zu bekom­men, habe ich mit zwei Bestat­tungs­un­ter­neh­men im Wed­ding gespro­chen: Fur­kan Bestat­tun­gen und Schmidt & Co. Bestattungen.

Herr El-Ali ist der Lei­ter des mus­li­mi­schen Fur­kan Bestat­tungs­un­ter­neh­mens in der Dront­hei­mer Stra­ße 32a. Er ist früh mit Bestat­tun­gen in Berüh­rung gekom­men, durch einen regel­mä­ßi­gen Kon­takt mit einem Bestat­ter einer Moschee in Neu­kölln, die er schon als klei­ner Jun­ge häu­fig besuch­te. Die Arbeit als Bestat­ter sieht er in ers­ter Linie als einen Got­tes­dienst. Im Islam wird das Sor­gen um Ver­stor­be­ne als eine sehr edle Tat gese­hen, wel­che von Gott belohnt wird. Die­se Tat­sa­che war aus­schlag­ge­bend für sei­ne Moti­va­ti­on, den Beruf eines Bestat­ters zu wählen.

Ein frü­her per­sön­li­cher Ver­lust war auch für Frau Brück­ner rich­tungs­wei­send für ihren Berufs­wech­sel, wel­cher sie letzt­end­lich zu “Schmidt & Co”, einem welt­li­chen Bestat­tungs­un­ter­neh­men in der Nähe des S‑Bahnhofes Wed­ding geführt hat­te. Den ein­zel­nen unter­schied­li­chen Gefüh­len der Ange­hö­ri­gen beglei­ten zu dür­fen, führt bei Frau Brück­ner auch zu einem Gefühl der Behei­ma­tung, wie sie es beschrieb.

Es hat mich auch Tage nach unse­rem Gespräch noch bewegt, wie sie das Ent­ste­hen eines Dank­bar­keits­ge­fühls beschrieb, wel­ches durch die Ehr­furcht ent­steht, wenn sie an den Sarg eines ver­stor­be­nen Men­schen her­an­tritt. Es kommt daher, dass der ver­stor­be­ne Mensch sie nicht ein­ge­la­den hat, aber ihr Beruf es ihr trotz­dem ermög­licht, die­sen Men­schen ver­ab­schie­den zu können.

Der Umgang mit dem Tod ist etwas, das zwei­fel­los untrenn­bar zum Beruf eines Bestat­ters dazu­ge­hört. Als ich mich mit Herrn El-Ali getrof­fen habe, ist mir auf­ge­fal­len, wie sein Bestat­tungs­un­ter­neh­men in das All­tags­le­ben von prak­ti­zie­ren­den Mus­li­men ein­ge­bun­den ist. Das Büro liegt in einem mehr­stö­cki­gen Haus direkt unter einer Moschee.

In der Tat beschrieb Herr El-Ali im wei­te­ren Ver­lauf, wie es in sei­nen Moschee­be­su­chen häu­fi­ge Toten­ge­be­te und Bekannt­ma­chun­gen über Ver­stor­be­ne gibt. Dadurch ist auch jemand, der nicht als Bestat­ter arbei­tet und die Moschee besucht, häu­fig mit Fra­gen um das Ster­ben kon­fron­tiert. Im Islam wird der Tod nicht als Abschied für immer gese­hen, son­dern mehr als ein Wie­der­se­hen im Jen­seits, wie er mir erklärte.

Die­ser Gedan­ke, dass der Tod nicht als das end­gül­ti­ge Ende gese­hen wird, spie­gelt sich auch in den Aus­sa­gen von Frau Brück­ner wider. Eine Zuver­sicht in die­ser Hin­sicht kann hel­fen, den Pro­zess der End­lich­keit auf­zu­ar­bei­ten und das Gefühl der Unge­wiss­heit anzu­neh­men. So wie das Bestat­tungs­un­ter­neh­men von Herrn El-Ali in das Gebäu­de mit der Moschee ein­ge­glie­dert ist, ist auch Frau Brück­ner der Ansicht, dass das The­ma Tod und Ster­ben viel­mehr in die Mit­te der Gesell­schaft gehört.

In bei­den Gesprä­chen wur­de deut­lich, wie wich­tig ein gro­ßes Maß an Ein­füh­lungs­ver­mö­gen ist. Trotz der tech­ni­schen und orga­ni­sa­to­ri­schen Sei­te, die ein Bestat­ter ein­nimmt, erwähnt Herr El-Ali auch die beru­hi­gen­de Rol­le, um Ver­wand­ten und Freun­den des Ver­sto­be­nen eine Zuver­sicht und ein ruhi­ges Gewis­sen über das Leben des Ver­stor­be­nen im Para­dies zu geben. Es ist wich­tig, sich selbst in der Situa­ti­on zurück­zu­neh­men, gemein­sam schwei­gen zu kön­nen, um im rich­ti­gen Moment zu spre­chen, wie Frau Brück­ner erklärt.

Obwohl der Tod als kein end­gül­ti­ges Ende gese­hen wird, stellt jedoch der Umgang mit den ein­zel­nen Schick­sä­len auch eine Her­aus­for­de­rung und Belas­tung an den Bestat­ter dar. Herr El-Ali bei­spiels­wei­se erzählt, dass ihn auch nach sei­ner lang­jäh­ri­gen Erfah­rung ein­zel­ne Todes­fäl­le emo­tio­nal mit­neh­men und er die­se mit sei­ner Fami­lie bespricht. Frau Brück­ner unter­streicht, wie wich­tig es für sie ist, den Abschied von dem Ver­stor­be­nen schön und ver­söhn­lich zu gestal­ten. Gelingt dies, ist es der größ­te Lohn an ihrer Arbeit.

Ich habe auf dem Heim­weg nach mei­nem letz­ten Gespräch über den wich­ti­gen gesell­schaft­li­chen Bei­trag nach­ge­dacht, den die­se bei­den Men­schen leis­ten. Ein Körn­chen zu sein, das im Klei­nen kräf­tig mit­hilft, war eine wie ich fin­de sehr tref­fen­de Beschrei­bung von Frau Brückner.

Das Bestat­tungs­un­ter­neh­men Schmidt & Co. gehört zu den ältes­ten Bestat­tern im Wed­ding, es liegt in unmit­tel­ba­rer Nähe zum Kre­ma­to­ri­um Wed­ding. Ursprüng­lich eine Sarg­fa­brik des Tisch­lers August Leh­mann, wur­de das Unter­neh­men bis 1996 von Joa­chim Schmidt geführt, dem Grün­der, Namens­ge­ber und lang­jäh­ri­gen Betrei­ber.
Auf­grund der ver­schie­de­nen Kul­tu­ren in Ber­lin spie­len sowohl kirch­li­che als auch welt­li­che Bestat­tun­gen eine all­täg­li­che Rol­le für Schmidt & Co in der Gericht­stra­ße 34.
Die Auf­ga­ben gehen weit über die eines Hand­werks­be­ru­fes hin­aus, wo der Beruf sei­nen Ursprung hat­te. Im Fokus steht ein gro­ßes Maß an Empa­thie, Ein­füh­lungs­ver­mö­gen und Freu­de am Kon­takt mit Men­schen.
Dadurch, dass das The­ma Tod eine zen­tra­le Bedeu­tung im Leben eines Men­schen hat, emp­feh­len Schmidt & Co. einen frü­hen Umgang mit dem The­ma. Die Vor­sor­ge in guten Zei­ten hilft spä­ter den Ange­hö­ri­gen, Abschied zu neh­men und das gute Gefühl zu haben, im Sin­ne des Ver­stor­be­nen zu han­deln.
Dies ist auch einer der Beweg­grün­de, wes­halb das Unter­neh­men Semi­na­ren, Vor­trä­gen, Letz­te-Hil­fe-Kur­se und Fried­hofs­füh­run­gen organisiert.

2 Comments

  1. Herz­li­chen Dank für den sehr inter­es­san­ten Bei­trag zum Beruf eines Bestat­ters! Tat­säch­lich habe auch ich mich öfters gefragt, wel­che Moti­va­tio­nen ein Bestat­ter gehabt haben könn­te, sich für die­sen Beruf zu ent­schei­den. Dabei sind mir vie­le mög­li­che Erklä­run­gen ein­ge­fal­len, doch aus die­sem Blick­win­kel habe ich es noch nicht betrach­tet. Ich fin­de den Gedan­ken inzwi­schen auch sehr schön, dank­bar zu sein, an der Ver­ab­schie­dung eines Men­schen teil­ha­ben zu dür­fen, ohne die­sen per­sön­lich gekannt zu haben.

  2. Dan­ke für den schö­nen Arti­kel! Ich glau­be, der hilft auch wei­ter, mit jeden­falls hät­te er Anfang des Jah­res geholfen.

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