Viele treue Kunden in Weddings Norden vermissten den “Schnell und Sauber”-Waschsalon in der Liverpooler Straße, der vor wenigen Monaten schließen musste. Jetzt hat er mit einem neuen Betreiber wieder aufgemacht – sauberer und moderner für Menschen und Umwelt.
Es ist Sonntagmorgen um 12 Uhr in der Müllerstraße. Die Cafes und Imbissbuden gähnen leer vor sich hin und auch auf der Straße ist nichts los. Kaum Verkehr. Es sind noch Ferien. Nur vor einem Laden stehen Menschen: An der runden Ecke zur Liverpooler Straße hängen grüne und silberne Luftballons über der Türe des Waschsalons, der lange Zeit geschlossen war. Und es sind jede Menge Kunden da, die drinnen ihre Wäsche in die Maschinen stopfen und draußen vor dem Laden warten, bis die Wäsche trocken ist. Die großen silbernen Trommeln drehen sich wieder. Diese Wiedergeburt ist erfreulich und erstaunlich zugleich.
Die große Zeit der Waschsalons schien auch im Wedding vorbei. Eine Waschmaschine? Das hat doch inzwischen jeder. Vorbei auch die Zeit, in denen die Salons nicht nur ein Grundbedürfnis befriedigten, sondern ein Teil der Popkultur waren. Wer die 1980er Jahre erlebt hat, erinnert sich an die kultige Levi’s‑Jeanswerbung, in der ein gut gebauter junger Mann sich unter den staunenden Augen der weiblichen Kundschaft in einem Waschsalon aus seiner hautengen Hose schält, oder an den Film von Stephen Frears “Mein wunderbarer Waschsalon”, in dem eine Wäscherei für einen Migranten aus Pakistan und seine Freunde im kalten London der Thatcher-Zeit zum Hoffnungsort wird.
Besungen wurden die Salons in der Zeit auch gerne. Im experimentellen Industrial-Stück “Berliner Waschsalon” von Frieder Butzmann oder im fröhlichen Rocktitel “Isch jon so unwahrscheinlich jehn mit dir in de Waschsalon” der Kölner Rock-Band BAP. Die Salons galten als cooler Treffpunkt von unangepassten Helden, die garantiert ihre Wäsche nicht mehr bei Mutti waschen ließen. Vor allem nachts glänzte ihr Licht hell und machte sie zu Inseln des großstädtischen Lebens und zum sicheren Ort für ungewöhnliche Begegnungen von schrägen Vögeln, einsamen Herzen und verlorenen Seelen. Spätere Konzepte, die die Salons zu gemütlichen Kiez-Wohnzimmern machen wollten wie das Freddy Leck in Moabit, haben sich im Wedding nicht durchgesetzt. Der Versuch, einen Waschsalon mit EU-Fördermitteln in der Weddinger Togostraße als sozialen Begegnungsort aufzubauen, ist schon vor Jahren gescheitert. Zu oft wurden die nachts unbeaufsichtigten Maschinen durch Vandalismus zerstört. Nach und nach gingen in immer mehr Salons die Lichter aus. Und die, die noch übrig blieben, waren oft nicht mehr als eine bunt zusammengewürfelte Ansammlung von grauen Kisten mit verwirrenden Bedienungsvorschriften und vielen Verbotsschildern.
Nun also ein Neustart. Vor dem Salon treffe ich Andy, der eine Dreiviertelstunde warten muss, bis seine Maschine fertig ist. Er ist Ende 20, sportlich, Basecap und Jeans, arbeitet in der Gastronomie. Er ist mit seinem kleinen Sohn da. Seit zwei Jahren wohnt er bei einem guten Freund im Afrikanischen Viertel und sucht eine Wohnung hier, in der für ihn und seinen Sohn Platz ist. Bislang Fehlanzeige. Er ist froh, dass der Waschsalon wieder aufgemacht hat. Und es sei besser als vorher. “Der alte Laden hatte zwar gute Maschinen aus Schweden, aber Probleme mit dem Wasser. Da war manchmal Dreck drin, der dann auch in die Wäsche gekommen ist.”
Der neue Anbieter “Schleuder Traum” betreibt Waschsalons in ganz Berlin. Die Liverpooler Straße ist bislang der einzige Standort im Wedding. Sein Konzept ist die “Kaltwäsche”, in der das Wasser mit Ozon angereichert wird und es für alle Textilien nur noch eine Waschtemperatur gibt. “Klappt gut”, meint Andy. Nur das Spezialwaschmittel, das für die Kaltwäsche gestellt wird, mag er nicht. “Da bringe ich mir lieber mein eigenes mit, damit die Sachen dann auch so riechen, wie ich es mag.” Es sind erstaunlich viele Männer hier. Die einzige Frau im Laden legt die Wäsche für ihren alten Vater zusammen. Der Vater erzählt mir, dass er seit 20 Jahren in einer kleinen 1,5 Zimmerwohnung wohnt, eine Dienstwohnung der Bundeswehr in der Cité Jofre. Da passe keine Waschmaschine rein. Aber er komme gerne hierher, sagt der ehemalige Soldat, auch wegen der Gesellschaft.
Aber nicht nur Menschen, die keine eigene oder nur eine kleine Wohnung haben, gehören zur Kundschaft, die für 5 Euro 50 bis zu 6,5 Kilo Wäsche sauber mit nach Haue nimmt. Ein Nachbar, nennen wir ihn Wolfgang, ist heute mit seinem Bettzeug da. “Wenn sie alles auf einmal in eine Waschmaschine stecken wollen, dann kommen sie besser hierher. Und es geht auch schneller, denn zu Hause habe ich keinen Trockner.”
Auch die Pop-Kultur hat den Waschsalon wiederentdeckt. Schon von zehn Jahren nutzte Gott persönlich in der belgischen Komödie “Das brandneue Testament” einen Waschsalon als den geheimen Ort, an dem er vom Himmel auf die Erde kommt. Und im letztjährigen Oscar-Preisträger-Film “Everything everywhere at once” ist ein Waschsalon die Einstiegspforte für eine Parallelwelt, in der ein Kampf von Gut gegen Böse ausgefochten wird. Lasst also eure Waschmaschine mal eine Pause machen und geht in den Salon um die Ecke. Ihr könnt was erleben.
Text und Fotos aus verschiedenen Waschsalons im Wedding: Rolf Fischer
Service
Koloniestraße 13; Wollankstraße 109; Seestraße 36 – täglich von 06.00 – 22.00 Uhr
Liverpooler Str. 2, täglich von 06:00–22:00, letzter Waschgang: 21:00
Triftstraße 4, täglich von 06:00–21:00
Stettiner Str. 13, täglich von 06:00–22:00. Der Kassenautomat schließt um 21.00 Uhr.
In der Seestraße 36, 13353 Berlin gibt es einen SB Waschsalon.
Ueber die Waschsalons kann man sich sehr freuen, denn wo sonst gibt es so grosse Trommeln, in denen,
man bergeweise Heimtextilien waschen kann. Aber abends aufpassen sollte man, denn der letzte Einlass liegt
vor der Schließzeit, bis dahin sollte man vllt auch den eigenen Wäscheberg eingesammelt haben ….