Als „ZeeDee" im Jahr 1987 eröffnete, war die Compact Disc erst rund fünf Jahre auf dem Markt – nach Jahrzehnten der Schallplatte wirkte der Silberling, dessen digitale Daten mit Lasertechnik ausgelesen werden mussten, geradezu futuristisch. Leider schlug sich die Technik auch im Preis nieder. Mit gut 30 Mark lag die CD im Durchschnitt deutlich über dem einer Schallplatte. Daher lohnte es sich sogar, sie nur zu verleihen.
Das war über viele Jahre das Geschäftsmodell von Daniel Goldmann, dem Inhaber des „ZeeDee"-Ladens in der Brüsseler Straße 4. Über der Tür steht noch immer „Verleih", tatsächlich wurde dieser bereits 1995 nach europäischem Recht untersagt. „Das Geschäft mit dem Verleih war ohnehin eine Grauzone. Der Musikindustrie war das Kopieren und Überspielen von Tonträgern schon immer ein Dorn im Auge gewesen."
Heute hat sich der Laden ganz auf den Verkauf von gebrauchten CDs, DVDs und Blu-Rays spezialisiert: allesamt aus der Zeit gefallene Produkte. Auch der Laden selbst atmet noch immer 90er-Jahre-Charme, an den Wänden hängen Björk- und Wu-Tang-Clan-Poster. Auf dem Pressspan-Tresen stapeln sich die Plastikhüllen. Die 90er waren die goldenen Jahre für ZeeDee, sagt Goldmann. „Wir haben hier Anfang der 90er-Jahre zum Teil mit fünf Leuten gearbeitet. Vor allem Samstag war die Hölle los."
Angefangen hatte alles als Familiengeschäft von Mutter und Sohn, auch hier im Brüsseler Kiez, wo Goldmann aufgewachsen und zur Schule gegangen ist. „Wir haben damals zunächst Kosmetik verkauft, und dann unsere eigene kleine CD-Sammlung verliehen, das dürften so 320 Stück gewesen sein", erinnert sich der Inhaber. Da der Tonträger-Verleih deutlich besser lief, ließen sie die Kosmetik bald weg. „Wir sind dann nochmal ein paar hundert Meter weiter in einen anderen Laden umgezogen. Hier waren wir näher an der U-Bahn-Station und das brachte schon auch mehr Laufkundschaft mit sich."
Seitdem hat ZeeDee alle Trends und Umbrüche der Musikindustrie überlebt, von der mp3 und Tauschbörsen wie Napster bis zu Streamingdiensten wie Spotify. Und auch das Comeback der Vinyl-Schallplatte tangiert Goldmann nicht. Er setzt noch immer auf die CD. Während einstige Platzhirsche wie Drogeriemarkt Müller und Saturn ihr Sortiment maximal zusammengedampft haben und sich auf Pop-Neuerscheinungen beschränken, kann man hier noch richig stöbern. "Heute sind wir ein ganz schöner Nischenbetrieb geworden", sagt Goldmann. "Aber irgendwie funktioniert's". Es gibt nach wie vor CD-Käufer: Sammler, die nach besonderen Raritäten suchen oder Gelegenheitskäufer, die CDs nur noch im Auto hören. Und dann gibt es auch einige, die, wie der Autor dieser Zeilen, aus Nostalgie CDs nachkaufen, die man sich einst, zu Hochzeiten der Industrie, nicht leisten konnte und nun für einen Spottpreis bekommt. Im Schnitt kosten CDs in Goldmanns Laden nur noch 3,90 Euro.
„Es ist ja schon so, dass die CD die bestmögliche Auflösung für Musik bietet. Wer eine High-End-Anlage zu Hause hat, wird darauf eher nicht streamen oder mp3s hören", erklärt Goldmann. An sich habe er nichts gegen Streamingdienste, sie hätten auch viele Vorteile. "Aber es fehlt auch ein bisschen was." Viele seiner Kunden sehen das ähnlich. Manche kommen seit 25 Jahren hierher. „Auch Durchreisende schauen bei vorbei, denn Läden wie unseren gibt es weltweit nicht mehr viele. Da kann man schon von einer Art CD-Tourismus sprechen." Mit dem Betreiber von Silver Disc an der Wrangelstraße, einem anderen „Dinosaurier" in Berlin, pflegt Goldmann freundschaftliche Beziehungen. Man teilt Erfahrungen und arbeitet sogar zusammen, etwa indem man Kontingente teilt, um bei der Post Rabatte zu bekommen. Der Versand ist ein wichtiger Faktor seines Nischenbetriebs und macht mehr als 50 Prozent aus. Einiges verschickt Goldmann auch außerhalb der EU. An Nachschub für seinen Second-Hand-Laden kommt er dabei in der Regel online. Er hat schon vor Jahren eine Ankauf-App für seinen Laden eingerichtet, mit der Kunden ihre Sammlungen schätzen lassen können – "das spart Zeit, bevor sie mit zig Umzugskisten vorbeikommen und dann doch wieder abziehen müssen, weil die Ware in keinem guten Zustand mehr ist." Auch die einst millionenfach aufgelegten Exemplare von Künstlern wie Phil Collins will Goldmann eher nicht mehr haben. „Die kriegt man leider im Dauerbetrieb angeboten."
Obwohl sein Job sehr computerabhängig geworden ist und es einen hohen organisatorischen Aufwand erfordert, ein Verkaufsarchiv mit gut 65.000 Stücken zu pflegen, macht Goldmann seine Arbeit noch immer gerne. „Es gibt immer was zu tun", sagt er. Meistens arbeiten sie hier zu zweit pro Schicht, einer vorne im Laden, die andere Person hinten im Lager. Natürlich hat sich auch die Gegend sehr verändert, sagt Goldmann, weswegen die Laufkundschaft immer weniger wird. "Früher war die Brüsseler Straße eine richtige Einkaufsstraße mit schönen kleinen Geschäften. Im Laufe der Jahre haben sie dann Billigshops und Wettbüros Platz gemacht." Deren Klientel sucht eher nicht nach CDs und DVDs. "Hier interessiert man sich eher für die Anzahl der PS eines Autos", sagt Goldmann und lacht.
Ob die CD, wie zuletzt immer wieder behauptet, ein Comeback feiern könnte wie die LP? Goldmann mag nicht recht daran glauben, sagt aber auch: Man weiß ja nie. "Ja, wenn das so wäre, dann würde ich vielleicht nochmal in einen zweiten Laden oder neuere Software für den Verkauf investieren", überlegt er. "Aber das ist ja das Schöne am selbstständig sein – man kann immer unmittelbarer auf neue Entwicklungen reagieren."
ZeeDee, Brüsseler Str. 4
Mo, Mi 12-19 Uhr, Di, Do 12-17 Uhr, Fr/Sa 12-16 Uhr