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"Wine and Darkroom":
Ein Workshopbesuch im Photo Studio Berlin

Berlin Photo Studio ist neu im Wedding und will die Anlaufstelle für Liebhaber*innen der analogen Fotografie werden. Wir waren bei einem Workshop mit vor Ort und geben Einblick in die umfangreichen Projekte von Emiliano Vittoriosi.

Lernen im Dunkeln

Wir sitzen in einem stockfinsteren Keller in der Nazarethkirchstraße, während Emiliano Vittoriosi, Studiobesitzer und Workshopleiter, die drei kleinen Filmrollen öffnet, die wir zuvor auf der Müllerstraße verknipst haben. Dann wickelt er sie auf Spulen und verschließt sie in einem handlichen Container. Zu sehen ist davon nichts, aber die Worte sind so lebendig, dass sie in derartiger Dunkelheit quasi als Bilder auf die innere Leinwand projiziert werden. Als das Licht wieder an ist, erklärt der gebürtige Italiener die nötigen Schritte, um aus den kleinen Negativstreifen die größeren Fotos zu entwickeln. Es braucht eine exakte Beleuchtungszeit, verschiedene Chemikalien, mehrere Entwicklungsstufen, aber vor allem viel Geduld und Frustrationstoleranz, bis der perfekte Abzug gelingt. “Wenn du kochen lernen willst, reicht es ja nicht, bloß zu wissen, wie man ein Ei macht”, lacht Emiliano. “Hauptsache man hat Spaß dabei”, sagt er und reicht jedem ein Glas Wein.  

Foto-Studio, Concept Store und Gemeinschaftsort 

Der leidenschaftliche Fotograf und Künstler, der mit seinem Studio vor vier Monaten vom Bergmannkiez in den Wedding umgezogen ist, hat es sich zur Aufgabe gemacht, Fotografie als Kommunikationsmittel in der Nachbarschaft zu etablieren. Unterstützt wird er dabei von Kollegin Emma, die auch aus Italien kommt, kennengelernt haben sich die beiden aber erst in Berlin über die Fotografie. Gemeinsam ergänzen sie sich optimal. 

Durch Emmas Expertise in Produktfotografie, Emilianos künstlerischen Hintergrund und seine Erfahrung als Webdesigner bietet das Studio ein breiteres Angebot, als man es vielleicht gewohnt ist. Neben dem Verkauf und der Reparatur von analogen Kameras und der Entwicklung von Filmen gehören auch digitale Bewerbungsfotos, Hochzeitsfotografie und Social-Media-Content zum Portfolio. Für den vielseitigen Fotografen geht es aber vor allem um menschliche Verbindungen und das Sichtbarmachen von jenen Gefühlen und Geschichten, die sich nur schwer in Worte fassen lassen. 

Workshops für jede*n: Fotografie als Erlebnis

Das spiegelt sich auch in den vielen Formaten wider, die mehrmals pro Woche zu unterschiedlichen Preisen angeboten werden: Sonntags gibt es um 11 Uhr die kostenlosen analogen Foto-Walks durch den Wedding, montags ab 18:30 Uhr den Entwicklungs-Workshop für 45 €, dienstags trifft sich der selbst gegründete Foto-Club, und mittwochs vermittelt Emiliano die Kunst der Cyanotypie (Blaudruck) für 35 €. „So kann ich für jeden etwas anbieten, das leistbar ist und die Magie der analogen Fotografie weitergeben. Die Menschen sollen vor allem lernen, zu fühlen, was sie aufnehmen möchten, und ein Bewusstsein dafür entwickeln, wie man gute Porträts macht – ohne die Leute zum Lächeln zu zwingen“, beschreibt der 34-jährige seinen Ansatz.

Unerschöpfliche Flut an Projektideen

Während die Fotos in der Dunkelkammer trocknen und die Workshopbesucher den Laden im Obergeschoss erkunden, erzählt Emilianos leidenschaftlich von der Community, die er mit seinen unterschiedlichen Projekten aufbauen möchte. Für ihn stehen nicht nur Handwerk und Produkt im Mittelpunkt, sondern Co-Creation und vor allem die Menschen, die mit analoger Fotografie in Verbindung kommen wollen. „Ich komme aus Neapel, und was ich hier am Anfang am meisten vermisst habe, ist das Gemeinschaftsgefühl” 

Das aktuelle Angebot sei nur ein Bruchteil seiner Ideen, von denen er längst noch nicht alle verwirklicht hat, grinst Emiliano und holt einige Bücher aus dem Regal. Die meisten hat er selbst verlegt oder kuratiert. Über 300 Fotografie-Projekte hat er inzwischen weltweit umgesetzt: Buchbände, Ausstellungen, Fotowettbewerbe und vieles mehr. Es geht immer darum, Geschichten in Bildern zu teilen, die Poesie besonderer Augenblicke, mal in Fotos und manchmal doch besser in Worten zu beschreiben. 

Kunst mit der Nachbarschaft

Auch im Kiez hat er schon eine seiner Kunst-Aktionen umgesetzt, weitere sollen folgen. Emiliano und sein Team haben Flyer für ein kostenloses Fotoshootings in 12 verschiedenen Sprachen an die Nachbarschaft verteilt. Daraus sind rund 500 Porträts entstanden, die im Fotostudio ausgestellt wurden. „Wir haben das Schaufenster zur Galerie gemacht und allen gezeigt, was hier passiert. Es ging darum, die Menschen mitzunehmen und sie zum Teil eines Nachbarschafts-Projekts zu machen.“  Zwei der bekanntesten Gesichter vom Leopoldplatz hängen seitdem als riesige Portraits vor seinem Laden: Der schnorrende Punk und der Security-Mann von der Sparkassen-Filiale. 

Als der Workshop nach 5 Stunden und mit einem Foto für jeden endet, sind wir sehr von den Ergebnissen überrascht, die längst nicht so schnell und befriedigend sind, wie wir sie heute von den digitalen Prozessen gewohnt sind. Zu grau, zu dunkel, zu verschwommen erinnern die Bilder knallhart daran, warum Fotografie eigentlich Handwerk in Verbindung mit Kunst ist. Raum für Entschleunigung könnte genauso gut über einem Fotolabor stehen. Am Ende wird klar, dass der Analog-Enthusiast die Dinge ernst meint, die er sich vorgenommen hat. Eine starke Gemeinschaft braucht, genau wie ein gutes Foto, auch viel Entwicklungszeit. Und die scheint Emilio sehr gerne zu investieren.

Hier das Ergebnis des Foto-Workshops. Photostudio Berlin und der Weddingweiser verlosen unter allen Leser*innen einen 20% Rabattgutschein für eine analoge Film-Entwicklung. Schreibt uns einfach in die Kommentare oder per Mail, was auf dem Foto zu sehen ist. 

Photo Studio Berlin, Nazarethkirchstr. 41, 13347 Berlin, Öffnungszeiten: Mo-Fr 11-19 Uhr,

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Text und Bilder: Rike Lange

Der Artikel wurde am 16.10.24 aktualisiert

Rike Lange

Rike Lange ist freie Creative Producerin und Autorin. Sie lebt seit 10 Jahren im Wedding und interessiert sich für Transformation, Kunst & Kultur im Kiez.

5 Comments Leave a Reply

    • Hallo Emma, herzlichen Glückwunsch! Das ist die richtige Antwort. Wir melden uns per Email bei dir. Viele Grüße aus der Weddingweiser Redaktion.

  1. Klaus,mein Lieber!
    StepByStep, wie du dem Artikel entnehmen kannst. Ich denke derdie BesitzerIn wird sich gemütlich , deinen Schaufenster-Bedürfnissen und in der Sprache des Weddings widmen . Peace!

  2. Das Interesse an den Projekten dürfte sich auf Liebhaber beschränken. Analoge Fotografie ist sehr speziell. Im Unterschied zur digitalen Fotografie führte die analoge, wegen der Begrenztheit des Speichermediums Film, zum Nachdenken des Fotografen, also was fotografiere ich und wie. Inflationäre Knipserei, heutzutage die Regel, unterblieb weitgehend. Analog konservierte Wirklichkeit entzog sich auch der nachträglichen Verfälschung, wie sie mittlerweile mit Photoshop zur Regel geworden ist, zumindest war sie deutlich erschwert, was der Authentizität der Aufnahmen zugute kam. Früher habe ich selbst oft analoge Fotos gemacht, was natürlich stets die Mitführung einer Kamera erforderlich machte. Es mußte von vorn herein der Vorsatz bestehen, Fotos zu machen, ansonsten trug seinerzeit niemand eine Kamera nebst weiterer Ausrüstung mit sich herum. Nun ist es so, die besten Fotos sind nun mal die, die überhaupt gemacht werden. Ein Handy hat man immer dabei, so ist man stets einsatzbereit, Fluch und Segen zugleich. Ich gebe zu, daß auch ich den bequemeren Weg gehe.

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