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Nach wem sind diese Straßen benannt? (Teil 3)

12. Oktober 2020

Im Afri­ka­ni­schen, im Eng­li­schen oder im Brüs­se­ler Vier­tel, aber auch im Brun­nen­vier­tel oder im Sol­di­ner Kiez sind vie­le Stra­ßen nach Län­dern, Orten oder mit Bezug auf Kriegs­schau­plät­ze benannt. Da kann man eine klei­ne Welt­rei­se machen.

So man­cher Stra­ßen­na­me im Wed­ding und Gesund­brun­nen klingt merk­wür­dig. Nicht weni­ge sind nach Per­so­nen benannt – mit teil­wei­se sehr frag­wür­di­gen Bio­gra­phien. Wer dahin­ter steckt, dürf­te aller­dings kaum jemand wis­sen. Wir erklä­ren euch kurz, mit wem wir es zu tun haben.

Jede Menge Militärs

Lyn­ar­stra­ße seit 1891

Rochus Qui­ri­nus Graf zu Lynar, *1525 Ita­li­en, †1596 Span­dau, Bau­meis­ter, Mili­tär. Lynar ent­stamm­te einem flo­ren­ti­ni­schen Adels­ge­schlecht, das sich nach dem um 1360 zer­stör­ten Kas­tell Lina­ri nann­te. Er kämpf­te gemein­sam mit sei­nem Vater in Diens­ten Karls V. und war im Hof­dienst bei Ales­san­dro de Medi­ci. 1542 muss­te er aus Ita­li­en nach Frank­reich flie­hen und dien­te dort Franz I. als Erzie­her des Dau­phin Hein­rich, spä­ter Hein­rich II., ernannt und war zugleich Kriegs­in­ge­nieur. Er trat 1560 zum Kal­vi­nis­mus über und führ­te 1567 den Huge­not­ten­auf­stand in Metz an, wo er Fes­tungs­kom­man­dant war. 1570 war Lynar Artil­le­rie­meis­ter und Kom­man­dant aller kur­säch­si­schen Fes­tun­gen. 1578 kam er zu Kur­fürst Johann Georg von Bran­den­burg. Er war vor­ran­gig mit kon­struk­ti­ven Fes­tungs­bau­ten befasst – wie die Span­dau­er Zita­del­le. Auf ihn gehen auch die Fes­tungs­an­la­gen von Kas­sel, Küs­trin und Peitz zurück. Lynar war eben­falls betei­ligt am Bau bzw. Umbau von Schlös­sern wie Oranienburg.

Burg­s­dorf­stra­ße seit 1891

Kon­rad Alex­an­der Magnus von Burg­s­dorff, *1595, †1652 Ber­lin. Der Mili­tär ent­stamm­te einem alten mär­ki­schen Adels­ge­schlecht, das bereits seit 1334 urkund­lich nach­ge­wie­sen ist. Mit 14 Jah­ren kam Burg­s­dorf an den bran­den­bur­gi­schen Hof und war Spiel­ge­fähr­te des spä­te­ren Kur­fürs­ten Georg Wil­helm, in des­sen Diens­te er 1618 als Kapi­tän eines Rei­ter­re­gi­ments trat. 1623 ‑1641 war er Kom­man­dant von mär­ki­schen Fes­tun­gen. Burg­s­dorf nahm ent­schei­den­den Anteil an der Poli­tik des bran­den­bur­gi­schen Staa­tes bis 1651. Dann ver­wies man Burg­s­dorf vom Hof und ent­ließ ihn aus all sei­nen Ämtern. Es wird ver­mu­tet, dass  ihm die finan­zi­el­len Miß­stän­de, die wäh­rend des “Kle­ver Aben­teu­ers” zuta­ge getre­ten waren, ange­las­tet wurden.

Sparrstr./Sparrplatz seit 1892

Otto Chris­toph Frei­herr und Reichs­graf von Sparr, *1599, †1668 Pren­den. 1638 wur­de Sparr Kom­man­dant der Fes­tung Lands­berg an der Warthe, 1651 Gene­ral­feld­zeug­meis­ter und Gou­ver­neur von Kol­berg. Am 28.7.1656 sieg­te er in der drei­tä­gi­gen Schlacht bei War­schau, in der Schwe­den und Kur­bran­den­burg gemein­sam gegen Polen gekämpft hat­ten. Ab 26.6.1657 wur­de er kur­bran­den­bur­gi­scher Gene­ral­feld­mar­schall und zugleich einer der Ver­trau­ten des Gro­ßen Kur­fürs­ten. Ab 1660 war Sparr an der Befes­ti­gung Ber­lins betei­ligt. 166364, wur­de er mit der Füh­rung des bran­den­bur­gi­schen Korps bei der Reichs­ar­mee betraut und war gegen die Tür­ken erfolg­reich, so dass er vom Kai­ser auch kai­ser­li­chen Gene­ral­feld­mar­schall beför­dert wur­de. Die Sparrs wur­den 1670 zu Reichs­gra­fen erho­ben. Ihre bran­den­bur­gi­sche Bestä­ti­gung erfolg­te am 22.1.1672. Sein Grab­mal (von Andre­as Schlü­ter) befin­det sich in der Marienkirche.

Cour­biè­re­platz von 1887 – 1994, (inzwi­schen Max-Josef-Metzger-Platz)

Guil­laume René Baron de l’Hom­me Cour­biè­re, *1733 Maas­tricht, †1811 Grau­denz, stamm­te aus einer huge­not­ti­schen Fami­lie, die aus Frank­reich nach Hol­land geflüch­tet war. Hier begann er auch sei­ne mili­tä­ri­sche Lauf­bahn. 1758 trat er in preu­ßi­sche Diens­te. Cour­biè­re zeich­ne­te sich im Sie­ben­jäh­ri­gen Krieg (1756–1763) aus. 1763 wur­de er Kom­man­dant in Emden, 1771 Oberst, 1798 Gene­ral der Infan­te­rie, 1803 Gou­ver­neur der Fes­tung Grau­denz, die er 1807 erfolg­reich gegen die Trup­pen Napo­le­ons ver­tei­dig­te, wofür er im sel­ben Jahr zum Gene­ral­feld­mar­schall ernannt wurde.

Net­tel­beck­platz seit 1884

Joa­chim Chris­ti­an Net­tel­beck, *1738, †1824, war zuerst See­mann. Ab 1783 arbei­te­te er als Brannt­wein­bren­ner in Kol­berg. Im Jah­re 1760 ver­tei­dig­te er sei­ne Hei­mat­stadt gegen die Trup­pen des Zaren. 1770 wur­de er zum könig­lich-preu­ßi­schen Kapi­tän beför­dert, was aller­dings bald wegen sei­ner Insub­or­di­na­ti­on wie­der auf­ge­ho­ben wur­de. Er arbei­te­te dann vor der afri­ka­ni­schen Küs­te im Drei­ecks­han­del mit Skla­ven. Zurück in Kol­berg ver­lang­te er als Bür­ger­ad­ju­tant ener­gisch die Ver­tei­di­gung der Fes­tung Kol­berg gegen die napo­leo­ni­schen Trup­pen und unter­stütz­te den dar­auf­hin ent­sand­ten neu­en Kom­man­dan­ten Gnei­se­nau bei der letzt­lich erfolg­rei­chen Ver­tei­di­gung. Auch die Benen­nung der Kol­ber­ger Stra­ße in der Nähe hat damit zu tun.

Foto: Samuel Orsenne bearbeitet: Weddingweiser, Straßennamen

Ein paar Wissenschaftler-Straßen

Spren­gelstra­ße seit 1897

Chris­ti­an Kon­rad Spren­gel, *1750 Bran­den­burg, †1816 Ber­lin. Der Theo­lo­ge und Phi­lo­lo­ge war Leh­rer und spä­ter Rek­tor der Span­dau­er Stadt­schu­le, aus der er 1794 ent­las­sen wur­de. Wäh­rend sei­ner Span­dau­er Zeit ent­deck­te er durch empi­ri­sche Beob­ach­tun­gen, die er vor allem in der Jung­fern­hei­de mach­te, die Bestäu­bung der Blü­ten durch Insek­ten. Sei­ne Erkennt­nis­se ver­öf­fent­lich­te er 1793 in dem Buch „Das ent­deck­te Geheim­nis der Natur im Bau und in der Befruch­tung der Blu­men“, doch wur­den die­se damals von der Fach­welt größ­ten­teils abge­lehnt. Erst fünf­zig Jah­re nach sei­nem Tod begann man, sei­ne Nie­der­schrift zu beachten.

Will­de­now­stra­ße seit 1891

Karl Lud­wig Will­de­now, *1765 Ber­lin, †1812,  inter­es­sier­te sich schon als Kind für Bota­nik. Nach dem Schul­be­such begann er in der väter­li­chen Apo­the­ke sei­ne Aus­bil­dung, die er 1785 abschloss. Ent­ge­gen dem Wunsch sei­nes Vaters über­nahm er nicht des­sen Apo­the­ke, son­dern stu­dier­te Bota­nik und Medi­zin. 1787 ver­öf­fent­lich­te er „Pro­dro­mus flo­rae Ber­o­li­nen­sis“ (Ein­füh­rung in die Flo­ra Ber­lins). 1789 pro­mo­vier­te er und ließ sich als Arzt und Apo­the­ker in Ber­lin nie­der. 1792 erschien sein Band „Grund­riß der Kräu­ter­kun­de“, 1798 wur­de er ordent­li­cher Pro­fes­sor für Natur­ge­schich­te und bekam die Lei­tung des Bota­ni­schen Gar­tens über­tra­gen, 1806 wur­de er des­sen Direk­tor und Pro­fes­sor für Medi­zin. Bei Grün­dung der Ber­li­ner Uni­ver­si­tät 1810 wur­de er dort Pro­fes­sor. Will­de­now war mit Alex­an­der von Hum­boldt eng befreun­det. Auf Hum­boldts Bit­te ging er 1811 nach Paris, um die auf des­sen Süd­ame­ri­ka­rei­se gesam­mel­ten Pflan­zen wis­sen­schaft­lich zu bear­bei­ten. Will­de­now gilt als Begrün­der der deut­schen Den­dro­lo­gie, der wis­sen­schaft­li­chen Gehölz­kun­de („Ber­li­ni­sche Baum­zucht“, 1796), und ist gleich­zei­tig Begrün­der der Pflan­zen­geo­gra­phie oder Geo­bo­ta­nik, der Leh­re von der Ver­brei­tung der ver­schie­de­nen Pflan­zen auf der Erde.

Buch­stra­ße seit 1892

Chris­ti­an Leo­pold von Buch, Frei­herr von Gell­mers­dorf, Schö­ne­berg, *1774 Stol­pe, †1853 Ber­lin. Der Geo­lo­ge und Palä­on­to­lo­ge ent­stamm­te einem alten ucker­mär­ki­schen Adels­ge­schlecht. Er stu­dier­te von 1793 bis 1796 in Frei­berg an der Berg­aka­de­mie. For­schungs­rei­sen führ­ten ihn durch Euro­pa und 1815 auch zu den Kana­ri­schen Inseln. 1796 war er Berg­re­fe­ren­dar beim ober­schle­si­schen Berg­amt. 1806 bzw. 1808 war Buch Mit­glied der Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten und Mit­be­grün­der der Deut­schen Geo­lo­gi­schen Gesell­schaft. Auch Lon­don und Paris rie­fen ihn an ihre Aka­de­mien. Von 50 wis­sen­schaft­li­chen Gesell­schaf­ten wur­de von Buch mit der Ehren­mit­glied­schaft gewür­digt. Er betrieb che­misch-mine­ra­lo­gi­sche und phy­si­ka­li­sche Stu­di­en. 1812 wur­de er zum preu­ßi­schen Kam­mer­herrn ernannt. Er erar­bei­te­te die ers­te geo­lo­gi­sche Kar­te Deutsch­lands. In der Palä­on­to­lo­gie gilt er als Begrün­der der Stra­ti­gra­phie. 1836 publi­zier­te er “Über Erhe­bungs­kra­ter und Vul­ka­ne”, und drei Jah­re spä­ter folg­te sei­ne Arbeit “Über den Jura in Deutsch­land”. Am 31.5.1842 wur­de er einer der ers­ten Rit­ter des Ordens Pour le méri­te für Wis­sen­schaf­ten und Künste.

Vol­ta­stra­ße seit 1896

Ales­san­dro Giu­sep­pe Anto­nio Ana­sta­sio Graf Vol­ta, *1745 Como, Ita­li­en, †5.3.1827 Como; ita­lie­ni­scher Physiker.

Watt­stra­ße seit 1897

James Watt, *1736 Bir­ming­ham, †1819 Heath­field, bri­ti­scher Inge­nieur, Erfinder.

Die einzigen Frauen

Loui­se-Schroe­der-Platz (seit 1958, vor­her Oskarplatz)

Loui­se Doro­thea Sophie Schroe­der , *1887 Alto­na, †1957 Ber­lin, wuchs in einem Armen­vier­tel Alto­nas auf.  Die Ste­no­ty­pis­tin trat 1910 in die SPD ein und wur­de 1919 in die Natio­nal­ver­samm­lung gewählt. Von 1920 bis 1933 war sie Mit­glied des Reichs­tags. Von 1923 bis 1925 arbei­te­te sie als Lei­te­rin der Alto­na­er Pflegeanstalt.

Ab 1925 wirk­te sie als Dozen­tin an der Schu­le der Arbei­ter­wohl­fahrt. 1933 wur­de sie arbeits­los und über­nahm nach Jah­ren der Not in Ham­burg einen Brot­la­den. Ab Janu­ar 1933 stand Loui­se Schroe­der unter Poli­zei­auf­sicht. 1938 sie­del­te sie ganz nach Ber­lin über und fand hier zuerst als Sekre­tä­rin eine Anstel­lung. 1946 wur­de sie in die Ber­li­ner Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung gewählt. Zu die­ser Zeit war sie bereits Mit­glied des Vor­stands ihrer Par­tei. Vom 8.5.1947 bis 5.12.1948 war sie amtie­ren­de Ober­bür­ger­meis­te­rin in Groß-Ber­lin. Sie ver­trat von 1949 bis zu ihrem Tode Ber­lin (West) im Bun­des­tag und war noch bis Febru­ar 1951 Mit­glied des Ber­li­ner Senats.

Bär­bel-Boh­ley-Ring seit 2016

Bär­bel Boh­ley gebo­re­ne Bro­si­us; *1945 in Ber­lin; †2010 in Stras­burg (Ucker­mark) war eine deut­sche Bür­ger­recht­le­rin und Male­rin. Bekannt wur­de sie als Mit­be­grün­de­rin des Neu­en Forums in der DDR. Die Stra­ße wur­de neu auf dem ehe­ma­li­gen Mau­er­strei­fen zwi­schen Gleim­stra­ße und Ring­bahn angelegt.

Eli­se-und-Otto-Ham­pel-Weg seit 2018

Ein Abschnitt der Lim­bur­ger Stra­ße zwi­schen Gen­ter und Mül­lerstra­ße wur­de nach dem Wed­din­ger Wider­stands­paar Eli­se und Otto Ham­pel (hin­ge­rich­tet durch das Nazi­re­gime) benannt.

Und sonst so?

Max-Urich-Stra­ße seit 1984

Max Urich, *1899 Suhl, †1968 Ber­lin, Büch­sen­ma­cher, Poli­ti­ker, Wider­stands­kämp­fer gegen das NS-Regime.

Heinz-Galin­ski-Stra­ße seit 1998

Heinz Galin­ski, *1912 Mari­en­burg, †1992 Ber­lin, Poli­ti­ker, Opfer des NS-Regimes. 1951–1963 und erneut ab 1988 hat­te er den Vor­sitz des Direk­to­ri­ums des Zen­tral­ra­tes der Juden in Deutsch­land inne.

Gus­tav-Mey­er-Allee seit 1894

Johann Hein­rich Gus­tav Mey­er, *1816 Frau­en­dorf, †1877 Ber­lin. Mey­er besuch­te bis 1836 die Pots­da­mer Gärt­ner­lehr­an­stalt. Er war Schü­ler von Len­né, des­sen Büro er 1843 in tech­ni­schen Belan­gen lei­te­te. Um 1840 arbei­te­te er als Hof­gärt­ner in Sans­sou­ci. Er leg­te von 1846 bis 1848 den Volks­park Fried­richs­hain an. 1859 wur­de Mey­er zum Hof­gärt­ner ernannt und spä­ter der ers­te Direk­tor des gera­de gegrün­de­ten Ber­li­ner Gar­ten­bau­amts. Er gestal­te­te den Volks­park Hum­boldt­hain und den Trep­tower Park.

Theo­dor-Heuss-Weg seit 1954

Theo­dor Heuss, *1884 Bra­cken­heim, †1963 Stutt­gart, Poli­ti­ker, Wider­stands­kämp­fer gegen das NS-Regime. Von 1949 – 59 war er Bun­des­prä­si­dent Deutschlands.

Wil­helm-Zer­min-Weg seit 1983

Wil­helm Zer­min, *1882, †1973, war von 1955 bis 1958 Geschäfts­füh­rer des Vater­län­di­schen Bau­ver­eins, der in dem Teil des Bezir­kes bau­te, in dem sich heu­te ’sei­ne’ Stra­ße befindet.

Wil­helm-Kuhr-Stra­ße seit 1915

Wil­helm Kuhr *1865 , †1914, Jurist, Kom­mu­nal­po­li­ti­ker. Er stu­dier­te u. a. in Ber­lin Jura und Natio­nal­öko­no­mie. Danach wur­de er Bür­ger­meis­ter in Burg bei Mag­de­burg. 1906 trat er sein Amt als Bür­ger­meis­ter in Pan­kow an. In die­ser Zeit gelang der Erwerb des 10 Hekt­ar gro­ßen Besit­zes des Zei­tungs­ver­le­gers Baron Kil­lisch von Horn, der seit 1907 als Bür­ger­park der Öffent­lich­keit zugäng­lich ist. Kuhr starb wäh­rend des ers­ten Welt­kriegs 1914 in Polen.

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