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AmMa65: Es kommt nicht zum Vorkauf

22. Januar 2018
Amma65
Das Amma65 in der Ams­ter­da­mer Stra­ße Ecke Mal­plaquet­stra­ße. Foto: Toni Karge

Stadt­rat Ephra­im Gothe (SPD), zustän­dig für Stadt­ent­wick­lung in Mit­te, freut sich: “Im Bezirk Mit­te ist es nun­mehr erst­mals gelun­gen, eine Abwen­dungs­ver­ein­ba­rung mit einem Käu­fer abzu­schlie­ßen.” So schreibt es der Stadt­rat stolz auf der offi­zi­el­len Web­sei­te des Bezirks­amt am 19. Janu­ar. Kri­tisch dage­gen beur­teilt die Haus­ge­mein­schaft AmMa65 die neu­es­te Ent­wick­lung: “Lang­fris­ti­ger Schutz von Wohn­raum bedeu­tet für uns etwas ande­res.” Es geht um das Miet­haus in Mal­plaquet­stra­ße 25 Ecke Ams­ter­da­mer Stra­ße 14. Die Mäh­ren AG (Wer­be­spruch: Wir kau­fen Miet­häu­ser) hat­te das Haus 2017 gekauft. Der Bezirk Mit­te hat­te dar­auf­hin sein Vor­kaufs­recht ins Spiel gebracht.

Doch die nun zwi­schen Bezirk und der Mäh­ren AG aus­ge­han­del­te Abwen­dungs­ver­ein­ba­rung hat bewirkt, dass der Häu­ser­händ­ler vom Kur­fürs­ten­damm Käu­fer bleibt. Es kommt somit nicht zum Vor­kauf durch den Bezirk. (Was ein Vor­kaufs­recht ist und was eine Abwen­dungs­ver­ein­ba­rung, steht im heu­te zeit­gleich erschie­ne­nen Bei­trag Der Zweck von Vor­kaufs­recht und Abwen­dungs­ver­ein­ba­rung.)

Mittes fünf Stadträte sitzen in der Bezirksverordnetenversammlung.
Mit­tes fünf Stadt­rä­te in der BVV. Foto: And­rei Schnell

Und so bli­cken die Par­tei­en auf die jüngs­te Ent­wick­lung im Fall AmMa 65: Poli­ti­sche Reak­tio­nen auf den Fall AmMa 65:Die stärks­te Par­tei in der BVV (Bezirks­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung) sind mit 14 Sit­zen die Grü­nen. Frank Ber­ter­mann, Spre­cher der Grü­nen für Stadt­ent­wick­lung, denkt lang­fris­tig. Der Ver­ein habe etwas erreicht, denn “dank der Mie­ter war der Bezirk gezwun­gen, sich end­lich inten­siv mit der Nut­zung des Vor­kaufs­rech­tes zu beschäf­ti­gen und eige­ne Rege­lun­gen zu schaf­fen.” Das Wort “end­lich” wie­der­holt Ber­ter­mann in sei­ner Ant­wort auf eine Anfra­ge des Wed­ding­wei­sers zwei Sät­ze spä­ter noch ein­mal: Es sei ein Erfolg, dass “end­lich auch Mit­te aktiv” wird.

Mit eben­falls 14 Sit­zen in der BVV ist die Frak­ti­on der SPD genau­so stark wie die der Grü­nen. Aller­dings ant­wor­te­te sie bis­lang nicht auf die Anfra­ge des Weddingweisers.

Die Lin­ken haben in der BVV 10 Sit­ze. Deren Frak­ti­ons­vor­sit­zen­der Thi­lo Urchs schätzt eben­falls ein, dass Mit­te schon längst das Instru­ment Vor­kauf hät­te andro­hen sol­len. Unab­hän­gig vom Fall AmMa65 glaubt er, “dass sich die Eigen­tums­ver­hält­nis­se in der Stadt ändern” müss­ten. Mit Blick auf den kon­kre­ten Fall fügt er hin­zu: “Neben dem Kauf durch städ­ti­sche Woh­nungs­bau­ge­sell­schaf­ten, sehen wir auch die Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on durch die Mie­ter als gute Lösung um Wohn­raum dem Markt zu ent­zie­hen.” Gemeint ist, dass der Bezirk das Vor­kaufs­recht nicht zwin­gend auf eige­ne Rech­nung vor­neh­men muss – sie­he Arti­kel “Der Zweck von Vor­kaufs­recht und Abwen­dungs­ver­ein­ba­rung”.

7 Sit­ze hat die Frak­ti­on der CDU. Ihr Vor­sit­zen­der Sebas­ti­an Pie­per äußert sich zurück­hal­tend. Das “Vor­kaufs­recht ist kein Selbst­zweck”. Es soll nur in “drin­gen­dem all­ge­mei­nen Inter­es­se aus­ge­übt wer­den.” Und er ver­weist dar­auf, dass der Vor­kauf “dem Bezirk ja auch Geld kos­te.” Durch die geschlos­se­ne Abwen­dungs­ver­ein­ba­rung sei das all­ge­mei­ne Inter­es­se gewahrt worden.

Inhalt der Abwendungsvereinbarung

Ein Haus mit einem Eingang und dem Schriftzug Rathaus Mitte
Der Bezirk schließt eine Abwen­dungs­ver­ein­ba­rung mit dem Inves­tro Mäh­ren AG. Foto: And­rei Schnell

Die Mäh­ren AG wird neu­er Besit­zer des Miet­hau­ses. Mit der Abwen­dungs­ver­ein­ba­rung hat das Immo­bi­li­en­un­ter­neh­men sich ver­pflich­tet, in den nächs­ten 20 Jah­ren die Woh­nun­gen nicht in Wohn­ei­gen­tum umzu­wan­deln sowie kei­ne über­durch­schnitt­li­chen Moder­ni­sie­run­gen vor­zu­neh­men. Die Miet­hö­hen sol­len nach der nöti­gen Sanie­rung des Hau­ses 6,50 Euro nicht über­schrei­ten, so Stadt­rat Ephra­im Gothe über den Inhalt der Ver­ein­ba­rung. Obwohl dies nicht schlecht klingt, bleibt AmMa 65 skep­tisch. Die Mie­ter sehen die Gefahr, dass “alle stadt­po­li­ti­schen Erhal­tungs­kon­zep­te wie der Milieu­schutz” gegen so genann­te Share Deals nicht wir­ken wer­den. Bei den als Share Deals bezeich­ne­ten Geschäf­ten wer­den nicht Häu­ser gekauft oder ver­kauft, son­dern Antei­le an Unter­neh­men (GmbHs), die Eigen­tü­mer des Hau­ses sind. Der Bezirk habe durch die­sen Trick weni­ger Mög­lich­kei­ten ein­zu­grei­fen. Die Mäh­ren AG erklärt dazu: “Das Mehr­fa­mi­li­en­haus wird von uns nicht auf­ge­teilt und in Eigen­tums­woh­nun­gen umge­wan­delt. Grund­sätz­lich hal­ten wir uns an die ein­schlä­gi­ge Milieu­schutz­sat­zung. Eben­so grund­sätz­lich betrei­ben wir kei­ne soge­nann­ten Luxussanierungen.”

Der Mieter schließen sich zu AmMa 65 zusammen

Mitglieder des Vereins AmMa65
Die Mie­ter haben sich zu AmMa65 zusam­men­ge­schlos­sen. Foto: AmMa65

Aus Sicht von AmMa 65 ist die Abwen­dung “an sich zwar ein Erfolg”, aber sie befürch­ten den­noch schlech­te­re Bedin­gun­gen als wenn es zum Vor­kauf gekom­men wäre.  Der Ver­ein AmMa 65 ver­tritt die Mie­ter. Das sind etwa 60 Men­schen in 29 Woh­nun­gen. Der Ver­ein hat­te sich seit län­ge­rem dar­auf vor­be­rei­tet, das Haus selbst zu kau­fen und hat­te dafür Gesprä­che mit Genos­sen­schaf­ten und dem Miets­häu­ser­syn­di­kat (ein bun­des­wei­ter Zusam­men­schluss selbst ver­wal­te­ter Miet­häu­ser) geführt. In einem offe­nen Brief an Jakob Mäh­ren schrei­ben die Mie­ter, dass sie am 16. Janu­ar die Zusa­ge für die kom­plet­te Finan­zie­rung erhal­ten haben. Am 7. Novem­ber wur­de das Eck­haus für 3,5 Mil­lio­nen Euro annon­ciert . Kern­for­de­rung des Brie­fes ist, dass “die Mäh­ren Fir­men­grup­pe sich Pro­jek­ten nicht in den Weg stellt, die einen Mehr­wert für die gesam­te Gesell­schaft dar­stel­len.” Dazu soll das Unter­neh­men die Abwen­dungs­ver­ein­ba­rung zurück­zie­hen. Dadurch kön­ne es doch noch zum Vor­kauf durch den Bezirk und die Wei­ter­lei­tung des Hau­ses an die WBM oder an AmMa65 kom­men. Erst mit der Abwen­dung der Abwen­dungs­ver­ein­ba­rung hät­ten sich die Din­ge für sie zum Guten gewendet.

Text mit Mieterprotest
Die Mie­ter AmMa 65 haben sich zusam­men­ge­schlos­sen, um “ihr” Haus zu kau­fen. Foto: Weddingweiser

Es wäre das ers­te Mal gewe­sen, dass Mit­te das Vor­kaufs­recht aus­übt. Nun bleibt es beim ers­ten Mal, dass Mit­te den Vor­kauf ange­droht hat. Der Käu­fer hat sein Recht genutzt und den Vor­kauf durch Abwen­dungs­ver­ein­ba­rung ver­hin­dert. Die Bewoh­ner des Eck­hau­ses im Wed­ding hat­ten auf einen ande­ren Aus­gang gehofft. Sie woll­ten, dass der Bezirk das Haus nach dem Kauf gleich an die Woh­nungs­bau­ge­sell­schaft WBM oder an eine Genos­sen­schaft wei­ter­reicht. Die­ses Wei­ter­rei­chen wäre recht­lich mög­lich gewe­sen, wenn es zum Vor­kauf gekom­men wäre. Im kon­kre­ten Fall stand wohl die WBM tat­säch­lich bereit, aber auch die AmMa65 hat­te zwei Genos­sen­schaf­ten gefun­den, die bereit waren, in den Kauf­ver­trag einzutreten.

 

Wie geht es wei­ter? Die Haus­ge­mein­schaft lädt ein zum Aus­tausch und Initia­tiv­tref­fen “Netz­werk Zusam­men­Für­Wohn­raum” am 30. Janu­ar ab 19 Uhr im Mas­tul, Lie­ben­wal­der­str. 33.(Um vor­he­ri­ge Anmel­dung per E‑mail an [email protected] wird gebeten.)

Weiterführende Informationen

Pres­se­mit­tei­lung des Bezirks­amt vom 19. Januar
Der Ver­ein AmMa 65 und deren offe­ner Brief vom 17. Januar
Richt­li­ni­en zum Vor­kauf des Bezirks Mitte
Kon­zept für die Nut­zung von Vor­kaufs­rech­ten nach dem Bau­ge­setz­buch in Berlin
Arti­kel auf dem Wed­ding­wei­ser: Der Zweck von Vor­kaufs­recht und Abwendungsvereinbarung

Text: And­rei Schnell, Fotos: AmMa65 und And­rei Schnell

Andrei Schnell

Meine Feinde besitzen ein Stück der Wahrheit, das mir fehlt.

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