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Lucas Vogelsang: “Im Wedding sind die Menschen echter”

7. Juni 2017
Foto: QIEZ.de, Ralph Penno

Mit sei­nem Buch “Hei­mat­er­de” gehört der Ber­li­ner Lucas Vogel­sang zu den gro­ßen New­co­mern der Leip­zi­ger Buch­mes­se. Der gebür­ti­ge Span­dau­er redet mit uns über Hei­mat­ge­füh­le, sei­nen Kum­pel Ken Duken und war­um Ber­lin die bes­te Stadt ist, um arbeits­los zu sein.

“Bin in 10 Minu­ten bei der Bäcke­rei Schön. Frag nach Yase­min und dem Buch Hei­mat­er­de, dann gibt es einen Chai-Tee.” Die­se SMS, die uns Lucas Vogel­sang am Anfang unse­res Kiez­spa­zier­gangs durch den Wed­ding schickt, erzählt selbst schon eine Geschich­te: Der jun­ge Autor, hier nen­nen ihn alle nur Lucas, kennt die Leu­te im Kiez und sie ken­nen ihn. In sei­nem Erst­lings­werk Hei­mat­er­de neh­men sie eine wich­ti­ge Rol­le ein, denn der Wed­ding bil­det das Rück­grat des Buches.

So sind wir gleich am Anfang unse­res Spa­zier­gangs mit­ten­drin in Lucas’ Buch, das in die­ser klei­nen, tür­ki­schen Bäcke­rei Schön, beginnt. Hier geht der 31-Jäh­ri­ge ger­ne hin, um mit den Leu­ten in Kon­takt zu kom­men oder ein­fach nur, um das Leben im Kiez zu beob­ach­ten. Als einen “Tausch der Bio­gra­fien”, beschreibt Lucas sei­ne Repor­ta­gen. So ent­stan­den auch die Geschich­ten in sei­nem Buch, für das er Men­schen in ganz Deutsch­land befrag­te, was Hei­mat für sie bedeu­tet: “Für einen fik­ti­ven Roman fehl­te mir bis­her die Fan­ta­sie. War­um soll ich etwas erfin­den, wenn ich so vie­le tol­le Geschich­ten auf der Stra­ße fin­den kann?”

“Jede Knei­pe, jeder Nach­bar kann eine Geschich­te sein, man muss nur hart­nä­ckig blei­ben und die Leu­te anspre­chen”, sagt Lucas. So lern­te er auch den Schau­spie­ler Ken Duken ken­nen, den er im frü­he­ren cof­fee­ma­mas am Ade­nau­er Platz für ein Inter­view gewin­nen woll­te. Die­ses kam zwar nie zustan­de, dafür sind die bei­den Män­ner nun gute Bekann­te. Über­haupt hat Lucas, seit 10 Jah­ren Jour­na­list für Zei­tun­gen wie den Tages­spie­gel oder die Zeit, immer Sto­ries über Ber­lin parat.

Zwischen Graffiti und Flieder

Lucas selbst ist in Span­dau auf­ge­wach­sen, leb­te zwi­schen­durch in Char­lot­ten­burg, Mit­te und jetzt eben im Wed­ding. Wo fühlt er sich nun zu Hau­se? “Mei­ne Hei­mat ist eigent­lich ganz West­ber­lin”, sagt Lucas. “Den Wed­ding mag ich, weil die Men­schen hier ech­ter sind als woan­ders. Mir gefällt außer­dem die­ser tol­le Mix aus Zuge­zo­ge­nen und Ein­hei­mi­schen.” Also hat er kein Pro­blem mit Prenz­l­schwa­ben? “Auch ich als Urber­li­ner gen­tri­fi­zie­re im Wed­ding ja sozu­sa­gen mit. Man muss Begeg­nun­gen for­cie­ren. Denn in Begeg­nun­gen lösen sich Kli­schees auf.”

Das mit den Wor­ten hat Lucas drauf. Am liebs­ten wür­de er, der im Kopf immer Repor­ter ist, den Arti­kel auch gleich sel­ber benen­nen: “Graf­fi­ti und Flie­der” näm­lich. Denn beim Schlen­dern ent­lang dem Fluss Pan­ke weist er uns enthu­si­as­tisch auf die vie­len Gegen­sät­ze hin: Hier ein dunk­les Indus­trie­ge­län­de mit Graf­fi­ti, gleich dahin­ter eine schö­ne Allee mit Flie­der­bäu­men – so etwas liebt er an sei­nem Kiez. Aber auch ent­lang der Tege­ler Stra­ße ist er ger­ne unter­wegs, bei­spiels­wei­se im Café Gött­lich , wo “das Essen genau so schmeckt wie der Name des Cafés es ver­spricht”. Im Par­ty­be­zirk Fried­richs­hain wirst du Lucas dage­gen eher sel­ten tref­fen. “Viel­leicht, weil ich im Wes­ten auf­ge­wach­sen bin, viel­leicht auch weil ich nie Stu­dent war, aber mit die­sem Bezirk ver­bin­de ich eigent­lich nichts.”

Fußball ist der beste Eisbrecher

In Kreuz­berg dage­gen wür­de er ger­ne mal woh­nen. Des­we­gen gefällt ihm auch das Dujar­din an der Ufer­stra­ße, in dem er immer Käse­ku­chen isst: “Hier ist es wie in Kreuz­berg, ohne nach Kreuz­berg fah­ren zu müs­sen”, sagt Lucas und lacht. “Die Leu­te sit­zen schon bei 12 Grad drau­ßen. Das gibt es so nur in Ber­lin. Drei Son­nen­strah­len und die gan­ze Stadt scheint arbeits­los zu sein.”

Als eine der letz­ten Sta­tio­nen will Lucas uns noch den Fuß­ball­kä­fig zei­gen, wo die Kar­rie­re der berühm­ten Boat­eng-Brü­der begann, die auch in sei­nem Buch vor­kom­men. An die­sem Tag hän­gen in dem Recht­eck aus Staub und Beton nur ein paar Jugend­li­che ab – an die Boatengs, die Wed­ding-Iko­nen, erin­nert das gro­ße Gewach­sen auf Beton-Graf­fi­ti um die Ecke. Lucas, der als Kind immer Fuß­ball-Kom­men­ta­tor wer­den woll­te, ist heu­te Mit­glied der Fuß­ball-Autoren­na­tio­nal­mann­schaft, die vom Deut­schen Fuß­ball­bund und dem Aus­wär­ti­gen Amt geför­dert wird. Er beschreibt den Sport als eine “Kom­mu­ni­ka­ti­on mit den Bei­nen”. Das ist bei sei­nen Repor­ta­gen oft hilf­reich: “Wenn du beim Fuß­ball gemein­sam lei­dest und kämpfst, kannst du danach eigent­lich alles fragen.”

Und was macht der Ber­li­ner Autor, wenn er nicht Fuß­ball spielt oder schreibt? “Abends gehe ich auch mal ins Ani­ta Ber­ber in der Pank­stra­ße, tan­zen eher in der Nach­bar­schaft.” Ein biss­chen Ent­span­nung muss eben auch mal sein, denn “die­ses Buch, all die Bio­gra­fien, das hat Kraft gekos­tet”, so Lucas. Für ein neu­es Buch lässt er sich des­halb noch etwas Zeit, mehr von Lucas Vogel­sang kannst du in sei­nen Repor­ta­gen für die Welt am Sonn­tag lesen.

Autorin: Julia Stürzl, QIEZ.de

Die­ser Bei­trag erschien ursprün­gich bei unse­rem Koope­ra­ti­ons­part­ner qiez.de

Unse­re Rezen­si­on von Heimaterde

 

 

Gastautor

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