Mastodon

“Atlas”: Jeder könnte einer von hundert Darstellern sein

14. Mai 2016

ATLAS_by Vasco Celio-129“Schon der ers­te Tag, wenn sich alle gegen­sei­tig vor 50 wei­te­ren Per­so­nen vor­stel­len, ist sehr berüh­rend. Was erzählt man da über sich selbst?” So beschreibt And­re Urba, ein por­tu­gie­si­scher Tän­zer das Gefühl, wenn sich wild­frem­de Men­schen beim ers­ten Thea­ter-Work­shop des “Atlas”-Projektes ken­nen­ler­nen. “Nach zwei Stun­den hat man schon das Gefühl, in das Leben von so vie­len unter­schied­li­chen Men­schen hin­ein­ge­schaut zu haben. Und dann erst bei den Auf­füh­run­gen das Gefühl, mit 100 Men­schen als Grup­pe auf der Büh­ne zu ste­hen! Da hat man das Gefühl, etwas bewe­gen zu kön­nen!” Die Per­for­mance, die 2011 in Lis­sa­bon urauf­ge­führt wur­de und in War­schau, Gent, Mai­land, Buda­pest, Lau­sanne, Athen, Mont­pel­lier und Sao Pao­lo auf­ge­führt wur­de, kommt jetzt auch in die Ufer­stu­di­os in Ber­lin-Gesund­brun­nen. Dafür wer­den 100 Dar­stel­le­rin­nen und Dar­stel­ler gesucht. Büh­nen­er­fah­rung müs­sen sie nicht mit­brin­gen, denn die Teil­neh­mer spie­len sich selbst und stel­len kei­ne Rol­le dar. In kei­ner Stadt ist die Per­for­mance  gleich. Obwohl sie als Aus­gangs­punkt einer simp­len Struk­tur folgt, hängt sie doch sehr von den Mit­spie­lern und deren Lebens­wel­ten und Ideen ab.

Kleine Herausforderungen

Ein Dar­stel­ler aus War­schau drück­te das so aus: “Im Thea­ter wer­den nor­ma­ler­wei­se alle mög­li­chen Tricks ein­ge­setzt, um Illu­sio­nen zu erzeu­gen. Aber hier gab es kei­ne Illu­sio­nen, son­dern nur Wahr­hei­ten. Und das spür­ten sowohl die Zuschau­er als auch wir Men­schen auf der Büh­ne.” Die Dar­stel­ler prä­sen­tie­ren sich selbst und ihre Berufs­wel­ten. In War­schau  beschreibt eine Rent­ne­rin auf der Büh­ne: “Ich muss geste­hen, dass ich schon ein­mal drei Toma­ten aus dem Super­markt geklaut habe, und sie dann mit Mak­ka­ro­ni geges­sen habe. Das ist die Situa­ti­on von Rent­nern, die von 1200 Zlo­ty im Monat leben!”

Zudem wird man mit sehr unter­schied­li­chen Men­schen kon­fron­tiert, vom Poli­ti­ker, zum Laden­de­tek­tiv bis hin zum Sur­fer haben schon alle Berufs­grup­pen mit­ge­macht. “Ich mar­schier­te auf der Büh­ne zusam­men mit einem Sol­da­ten, und ich bin eine Frie­dens­ak­ti­vi­tis­tin!” beschreibt eine Teil­neh­me­rin aus Poi­tiers. Und einer aus War­schau sagt: “Obwohl wir so unter­schied­li­che Men­schen mit der­art unter­schied­li­chen Mei­nun­gen sind, haben wir uns immer mit Respekt zuge­hört… Wir waren gezwun­gen, uns in die Augen zu sehen.”

Die Basis für die Per­for­mance von Ana Bor­ral­ho und João Galan­te ist ein Kin­der­lied: „Ein Ele­fant stört vie­le Men­schen, doch zwei Ele­fan­ten stö­ren noch viel mehr, zwei Ele­fan­ten stö­ren vie­le Men­schen, doch drei Ele­fan­ten stö­ren umso mehr…”
Die Per­for­mance beginnt mit einer Per­son und endet mit 100 Per­so­nen auf der Büh­ne. Die ers­te Hälf­te der Lied­zei­le wird jeweils nur von der einen soeben die Büh­ne betre­ten­den Per­son gespro­chen, die zwei­te Hälf­te vom Chor der­je­ni­gen, die bereits auf der Büh­ne sind.
Für vie­le Teil­neh­mer dürf­te auch der Work­shop mit den klei­nen Schau­spiel – und Auf­wärm­übun­gen unge­wohnt sein. “Eine klei­ne Her­aus­for­de­rung ist es viel­leicht, dem Vor­der­mann eine Klopf­mas­sa­ge auf dem Rücken zu geben. In fünf Work­shop-Tagen ent­steht dabei oft eine gro­ße Nähe und Offen­heit, auch weil man so viel mit­ein­an­der (mit)teilt”, erklärt Vero­ni­ka Bökel­mann, die für das Cas­ting der Ber­li­ner Auf­füh­rung ver­ant­wort­lich ist. Der por­tu­gie­si­sche Tän­zer And­re Uer­ba beschreibt, dass aus der Arbeit oft Freund­schaf­ten ent­stan­den sind, sowie Face­book-Grup­pen, Lai­en-Thea­ter­grup­pen, oder sich auch schon Teil­neh­mer ver­liebt haben.

Bis 10. Juni ist eine Anmel­dung mög­lich: [email protected]

Die Pro­ben fin­den vom 25. bis 30. Juni (je 3 Stun­den bzw 5 Stun­den für die Gene­ral­pro­ben) statt, die Auf­füh­run­gen sind in der Zeit vom  1. bis 3. Juli in den Ufer­stu­di­os, Ufer­stra­ße 25, 13357 Ber­lin-Wed­ding geplant.

Über die Per­for­mance Atlas

Das Thea­ter wie­der in einen poli­ti­schen Raum ver­wan­deln. 100 Men­schen auf der Büh­ne. Eine Land­schaft an Leu­ten mit unter­schied­li­chen Beru­fen, die ihren Platz in der Gesell­schaft behaup­ten, jeder ein­zel­ne für sich wie auch als Grup­pe, die eine Art Atlas des kom­ple­xen Zusam­men­halts eines sozia­len Gewe­bes entwerfen.

Über die Künst­ler – Ana Bor­ral­ho und João Galante

Ana Bor­ral­ho und João Galan­te lern­ten sich wäh­rend ihres Kunst­stu­di­ums an der AR.CO in Lis­sa­bon ken­nen, und arbei­te­ten in den 1990er Jah­ren mit der berühm­ten por­tu­gie­si­schen phy­si­schen Thea­ter­grup­pe Olho. Seit 2002 arbei­ten sie gemein­sam an eige­nen Pro­jek­ten. Sie zeig­ten die­se auf inter­na­tio­na­len Fes­ti­vals in Por­tu­gal, Spa­ni­en, Frank­reich, Schweiz, Deutsch­land, Eng­land, Ita­li­en, Tsche­chi­en, Slo­wa­kei, Finn­land, Slove­ni­en, Bel­gi­en, Japan, Bra­si­li­en, Ara­bi­sche Emi­ra­te, etc. Bor­ral­ho und Galan­te sind Mit­be­grün­der der kul­tu­rel­len Ver­ei­ni­gung Casa­B­ran­ca, und kura­tie­ren das Fes­ti­val Ver­ão Azul in Lagos, Por­tu­gal. Sie leben und arbei­ten in Lis­sa­bon und in Lagos in Portugal.

weddingweiserredaktion

Die ehrenamtliche Redaktion besteht aus mehreren Mitgliedern. Wir als Weddingerinnen oder Weddinger schreiben für unseren Kiez.

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

MastodonWeddingweiser auf Mastodon
@[email protected]

Wedding, der Newsletter. 1 x pro Woche



Unterstützen

nachoben

Auch interessant?