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Schnipsel aus dem Wedding – 30 Minuten Kiez

22. April 2015
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Auto­no­me Stadt­ge­spens­ter, Böl­ler im Früh­ling und der Charme der Stadt­ro­me­os. Ein Aben­teu­er­be­richt von einer Lauf­ein­heit an der Panke.

Auf­ge­rafft zum Jog­gen gehen. Ich bin ganz neu im Wed­ding. Ein­ge­bür­gert am 1. März. Da muss­te ich mir eine neue Lauf­ste­cke suchen. Sport-BH anzie­hen. Vor­her bin ich auch gelau­fen. Aber nicht im Wed­ding, son­dern in Lank­witz. Lank…wo? Ja, genau. Hose anzie­hen. Mein neu­er Mit­be­woh­ner hat mir die Stre­cke an der Pan­ke emp­foh­len. Das Wohn­haus liegt direkt an dem klei­nen Fluss. Altes T‑Shirt raus­kra­men. Mar­tin-Opitz-Stra­ße, Gesund­brun­nen. Schu­he an, Musik an, los. Von der Mar­tin-Opitz auf die Ufer­stra­ße, links, vor­bei an den Ufer­hal­len, zur Bad­stra­ße. War­ten an der Ampel. Buzzcocks im Ohr: “Ever fal­len in love with someone you should­n’t have fal­len in love with.” Wei­ter an der Pan­ke, über unebe­ne Stei­ne an Werk­stät­ten vor­bei, Stein, Holz, Kera­mik, Büro. Vor­ne ste­hen zwei Män­ner in Arbeits­kla­mot­ten und trin­ken Kaf­fee. Zwei Jungs ste­hen an der rech­ten Sei­te. Leh­nen am Gelän­der, schau­en auf die Pan­ke. Es riecht nach Spaß­zi­ga­ret­ten. Vor­bei an grü­nen Eisen­tü­ren mit wei­sen Zah­len, am Gras und am Kaf­fee zur Oslo­er Stra­ße. Fahr­bahn-Stra­ßen­bahn-Fahr­bahn. Das hält ganz schön auf. Und es nervt. Jeder, der die­se Aus­ga­be von “Gedan­ken einer untrai­nier­ten Läu­fe­rin” liest, füh­le sich frei, ande­re Rou­ten vorzuschlagen…

Graffiti mit dem Schriftzug "Autonome Stadtgespenster"Och, Grün. Der Weg bis zu Sol­di­ner Stra­ße an der Pan­ke ist mit ebe­nen Pflas­ter­stei­nen bedeckt. Män­ner mit Kin­der­wa­gen, Schü­ler mit Ruck­sä­cken. “Ey, du bist nicht geil”, ruft mir einer im Vor­bei­lau­fen nach. Auch gut. Über die Sol­di­ner Stra­ße. Kei­ne Pflas­ter­stei­ne mehr, dafür Matsch, Scher­ben, ein Ein­kaufs­wa­gen. “Not very pret­ty, but we sure know how to run free” (Lour­de-Team). Ein Böl­ler explo­diert neben mir im Gebüsch. Ich sprin­ge vor Schreck und fas­se mir ans Herz. Gucke mich um. Weit und breit nie­mand. Wech­sel auf die ande­re Sei­te der Pan­ke kurz vorm Fran­zo­sen­be­cken, nur um am Eschen­gra­ben wie­der die Sei­te zu wech­seln. Sla­lom im Wed­ding. Kiez­über­grei­fend von Gesund­brun­nen in den Sol­di­ner Kiez. Immer am Was­ser ent­lang. Hun­de gehen mit Besit­zern spa­zie­ren. Ein älte­res Pär­chen. Der Mann guckt mich an und sagt irgend­et­was zu mir. Ich höre ihn nicht durch die Musik. Wäre er mal so laut gewe­sen wie der jugend­li­che Char­meur von vor­hin… Beim Zusam­men­fluss von Pan­ke, Küh­ne­mann­stra­ße und Nord­bahn­stra­ße, kurz vor den S‑Bahn-Glei­sen und dem Bür­ger­park wird umge­dreht. Mehr schaf­fe ich nicht. Jog­gen dient eher dem ver­rin­ger­ten Schuld­ge­fühl beim Döner danach. Rück­weg am ande­ren Ufer.

Und die gan­ze Erleb­nis­rei­se noch ein­mal. Hip­pe Hal­len, ver­stopf­te Stra­ßen, ruhi­ge Pan­ke, Dreck unter den Füßen. Wed­ding­him­mel über dem Kopf. Von hin­ten auf­ge­rollt. Kurz vor mei­ner Woh­nung, an der Ecke Gropiusstraße/Thurneysserstraße wird es dann erst­mals echt gefähr­lich. Wil­der Wed­ding. Auto­no­me Stadt­ge­spens­ter lau­ern auf Mau­ern. Ich sprin­te an mei­nem Späti-Mann vor­bei, der gera­de vor dem Laden auf und ab geht. Zuhause.

Autor/Foto: Mela­nie Berger

Gastautor

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1 Comment

  1. “Jeder, der die­se Aus­ga­be von “Gedan­ken einer untrai­nier­ten Läu­fe­rin” liest, füh­le sich frei, ande­re Rou­ten vorzuschlagen…”

    In die ande­re Rich­tung die Pan­ke lang, bis zur Kol­ber­ger, mich da abho­len, dann in den Humboldthain.

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