Mastodon

Bye bye Bücher: Der stille Abschied der Hugo-Heimann-Bibliothek

27. März 2015
4
biblio_innen
Bilck in die Hugo-Heimann-Biblio­thek. Die Bücher, CDs und DVDs zie­hen ab Ende April um in die Müllerstraße.

Es hat kei­ne Demons­tra­tio­nen gege­ben, kei­ne Bür­ger­initia­ti­ve, kei­ne Unter­schrif­ten­samm­lung, nicht ein­mal ein Pla­kat. Ganz still und lei­se ver­ab­schie­det sich die Hugo-Heimann-Biblio­thek aus dem Brun­nen­vier­tel. Sie schließt am 27. April. Das Vier­tel ver­liert damit einen Treff­punkt und eine wich­ti­ge Bil­dungs­ein­rich­tung. Die 37.000 Medi­en der Biblio­thek, die Ende der 70er Jah­re gegrün­det wur­de, zie­hen per­spek­ti­visch in die neu gebau­te Schil­ler-Biblio­thek in der Mül­lerstra­ße – wenn die­se fer­tig ist. Mit der Schlie­ßung der Kin­der- und Jugend­bi­blio­thek im Brenn­punkt­kiez will der Bezirk Geld sparen.

Gegen die Bebau­ung des Mau­er­parks haben Bür­ger gera­de 39.000 Unter­schrif­ten gesam­melt. Für den Ver­bleib der Hugo-Heimann-Biblio­thek indes hat sich kei­ne Initia­ti­ve gegrün­det. „Viel­leicht liegt es dar­an, dass es schon so lan­ge bekannt ist“, spe­ku­liert Kat­ja Nig­ge­mei­er vom Quar­tiers­ma­nage­ment Brun­nen­stra­ße. Fast sie­ben Jah­re wis­sen die Men­schen im Kiez, dass ihre Biblio­thek schlie­ßen soll. „Vie­le hat­ten wohl das Gefühl, dass es kei­nen Sinn hat und haben sich viel­leicht ein­fach an den Gedan­ken gewöhnt“, sagt die Quartiersmanagerin.

biblio_schild
Die Öff­nungs­zei­ten der Kin­der- und Jugend­bi­blio­thek in der Swi­ne­mün­der Stra­ße – aller­dings nur noch bis 26. April.

Der Abschied der Biblio­thek voll­zog sich schritt­wei­se. Zunächst war sie im Schul­ge­bäu­de des Dies­ter­weg-Gym­na­si­ums in der Put­bus­ser Stra­ße inte­griert. Die Schü­ler konn­ten die Biblio­thek in einer Pau­se exklu­siv nut­zen, die Öffent­lich­keit kam nach Schul­schluss zu Büchern, CDs, Com­pu­ter­spie­len, Man­gas. Regel­mä­ßig wur­de in der Biblio­thek vor­ge­le­sen, Kiez­pro­jek­te nutz­ten Räum­lich­kei­ten, es gab Haus­auf­ga­ben­hil­fe und Prü­fungs­vor­be­rei­tungs­kur­se, vie­le Com­pu­ter­ar­beits­plät­ze und jugend­ge­rech­te Ange­bo­te zur Lese­för­de­rung. Als die Schu­le 2011 aus dem Kiez weg­zog und das Gebäu­de auf­ge­ge­ben wur­de, zog die Hugo-Heimann-Biblio­thek vor­über­ge­hend in ein viel klei­ne­res Nebenhaus.

Mit dem Dies­ter­weg-Gym­na­si­um ver­schwand auch der größ­te Teil der Biblio­theks­nut­zer. Den­noch blieb die Biblio­thek für vie­le Fami­li­en ein wich­ti­ger Ort im Kiez, der nun ganz weg­fällt. „Für die­ses Gebiet ist es ein­fach grau­en­haft. Mit der Biblio­thek geht die letz­te sicht­ba­re Bil­dungs­ein­rich­tung im Bereich Swi­ne­mün­der Stra­ße. Wir ver­lie­ren einen wich­ti­gen Lern- und Begeg­nungs­ort“, sagt Kat­ja Niggemeier.

biblio_fassade
In die­sem Neben­ge­bäu­de des inzwi­schen weg­ge­zo­ge­nen Dies­ter­weg-Gym­na­si­ums ist die Biblio­thek der­zeit untergebracht.

Kin­der und Jugend­li­che aus dem Gebiet wer­den nun wei­te­re Weg in Kauf neh­men müs­sen, mit Bus oder U‑Bahn fah­ren, um in die Schil­ler­bi­blio­thek zu kom­men. Oder sie müs­sen auf die Phil­ipp-Schaef­fer-Biblio­thek nahe dem Rosen­tha­ler Platz in Mit­te oder die Biblio­thek am Lui­sen­bad im Sol­di­ner Kiez aus­wei­chen. „Für Jugend­li­che ist das viel­leicht kein Pro­blem, aber Kin­der, die noch nicht in die Schu­le gehen, kön­nen nun nicht mehr ein­fach so über die Stra­ße in die Biblio­thek gehen“, sagt Quar­tiers­ma­na­ge­rin Nad­ja Franze.

Das Quar­tiers­ma­nage­ment will nun ein Pro­jekt aus­schrei­ben, das den Ver­lust der Biblio­thek zumin­dest ein wenig auf­fängt. „Wir wol­len die Fami­li­en auf die ver­blie­be­nen Mög­lich­kei­ten hin­wei­sen, mobi­le Lese­för­de­rung instal­lie­ren und Koope­ra­tio­nen für Lern­un­ter­stüt­zung anschie­ben“, sagt Kat­ja Nig­ge­mei­er. Beim Kiez­floh­markt am 9. Mai vor der dann ehe­ma­li­gen Biblio­thek in der Swi­ne­mün­der Stra­ße 80 soll ein Fly­er ver­teilt wer­den, auf dem auf die nun erreich­ba­ren Biblio­the­ken hin­ge­wie­sen wird.

 Text und Fotos: Domi­ni­que Hensel

Dominique Hensel

Dominique Hensel lebt und schreibt im Wedding. Jeden zweiten Sonntag gibt sie hier den Newsüberblick für den Stadtteil. Die gelernte Journalistin schreibt für den Blog gern aktuelle Texte - am liebsten zu den Themen Stadtgärten, Kultur, Nachbarschaft und Soziales. Hyperlokal hat Dominique es auf jeden Fall am liebsten und beim Weddingweiser ist sie fast schon immer.

4 Comments

  1. Wie scha­de! Es ist ein­fach nicht zu ver­ste­hen .Unglaub­lich .Biblio­the­ken sind Bildungsstätten.Sie gehö­ren zur Grund­aus­stat­tung für Bürger.Das schürt bei mir erneut das Unver­ständ­nis war­um Mil­lio­nen und aber Mil­lio­nen in die Luft geschos­sen werden.

  2. Erst das Gym­na­si­um, dann die Biblio­thek. Es ist ein wei­te­res Puz­zle­stück der Ber­li­ner Arm­se­lig­keit – dafür gibt es dann das pom­pö­se neue Stadt­schloss. Als ob eine Repu­blik eine Schloss­at­trap­pe braucht …

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

MastodonWeddingweiser auf Mastodon
@[email protected]

Wedding, der Newsletter. 1 x pro Woche



Unterstützen

nachoben

Auch interessant?