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Die Panke entlang (Teil 1)

15. Januar 2015
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Unschein­bar, über­baut, kei­ne Ein­bin­dung in die übri­ge Innen­stadt – so lieb­los zeigt sich der Lauf der Pan­ke auf ihren letz­ten Metern. Aber nicht nur der Pan­ke, son­dern der gan­zen Gegend ist durch Krie­ge und den Mau­er­bau übel mit­ge­spielt wor­den. Die dich­te Bebau­ung von einst ist zwar unwie­der­bring­lich ver­lo­ren, aber die vie­len klei­nen und gro­ßen Sehens­wür­dig­kei­ten loh­nen trotz­dem einen Spa­zier­gang pankeaufwärts…

Die Pankemündung und ein kleiner Park, Foto: D_Kori
Die Pan­ke­mün­dung und ein klei­ner Park, Foto: D_Kori

Anfang des 18. Jahr­hun­derts, als der preu­ßi­sche König Fried­rich I. (1657 – 1713) eine schiff­ba­re Ver­bin­dung zwi­schen sei­nen Schlös­sern Char­lot­ten­burg und Schön­hau­sen ver­lang­te, begann man in die­sem Bereich mit dem Bau von Was­ser­stra­ßen. Der Weg zu Was­ser war für den König beque­mer als die Land­stra­ße. Dazu ließ er von der Spree aus, auf Höhe des heu­ti­gen Haupt­bahn­hofs, den Schön­hau­ser Gra­ben anle­gen. Nach etwa zwei Kilo­me­tern traf der Gra­ben auf Höhe der Schön­wal­der Stra­ße im Wed­ding auf das Bett des Pan­ke-Flus­ses. Trotz der Ver­tie­fung der Pan­ke durch meh­re­re Weh­re ist die Schiff­bar­ma­chung bis Schön­hau­sen nie fer­tig­ge­stellt wor­den, da das könig­li­che Inter­es­se am Schloss Schön­hau­sen bald nach­ließ. Den­noch spielt der Gra­ben heu­te in zwei­er­lei Hin­sicht eine bedeu­ten­de Rol­le: zum einen stell­te sein Süd­teil den süd­öst­li­chen Abschnitt des Kanals dar, der 1848–59 ange­legt und 1910–16 für grö­ße­re Schif­fe ver­tieft wur­de. Zum ande­ren bil­det das 450 Meter lan­ge Ver­bin­dungs­stück zwi­schen dem heu­ti­gen Kanal und dem natür­li­chen Pan­ke­bett heu­te den Unter­lauf des Flüss­chens. Doch was ist mit dem ursprüng­li­chen Fluss­bett der Pan­ke pas­siert, das noch bis zum Bahn­hof Fried­rich­stra­ße reich­te und dort direkt in die Spree mün­de­te? Der alte Pan­ke­arm wur­de zuerst größ­ten­teils ver­rohrt und ist spä­ter durch den Mau­er­bau an der Chaus­see­stra­ße ganz vom Fluss abge­trennt wor­den. Er wird seit 1990 Stück für Stück wie­der freigelegt…

Wanderung von der Pankemündung flussaufwärts

Umspannwerk Pankemündung SellerstrAn der Stel­le, wo der Schif­fahrts­ka­nal das für den Schön­hau­ser Gra­ben aus­ge­ho­be­ne Fluss­bett ver­lässt und nach Nord­wes­ten abknickt, mün­det heu­te die Pan­ke in ein Vor­be­cken des Nord­ha­fens. Von die­sem etwas unwirt­li­chen letz­ten Abschnitt des über 30 km lan­gen Flus­ses soll­te man sich nicht abschre­cken las­sen – abge­se­hen von die­sen 450 Metern liegt die Pan­ke heu­te über­all frei. Der Park zwi­schen dem Pan­ke­mün­dungs­be­cken und der Sel­ler­stra­ße wur­de 2009 neu gestal­tet und zeigt sich dem Betrach­ter jetzt als sehr moder­ne, nüch­ter­ne Grün­an­la­ge mit ver­schie­de­nen Ter­ras­sen. Zwei über­di­men­sio­na­le Schau­keln stel­len einen sehr spar­ta­nisch gestal­te­ten Spiel­platz dar. Auf der ande­ren Sei­te des Vor­be­ckens sind moder­ne Rei­hen­häu­ser mit hoch­wer­ti­gen Woh­nun­gen entstanden.

Ins­ge­samt ist die städ­te­bau­li­che Situa­ti­on reich­lich kon­fus – man glaubt kaum, dass man sich inmit­ten der größ­ten Stadt Deutsch­lands befin­det. Der Haupt­grund für die­se eigen­ar­ti­ge Rand­la­ge war natür­lich der Ver­lauf der Ber­li­ner Mau­er, der die­sen zen­tra­len Bereich an “das Ende der Welt” kata­pul­tier­te. Wer die Pro­me­na­de am Kanal aus Rich­tung Haupt­bahn­hof ent­lang­läuft, kann an der Kie­ler Stra­ße noch einen Wach­turm der DDR-Grenz­si­che­rungs­an­la­gen ent­de­cken. Pankemündung Erika Heß EisstadionSchaut man jedoch auf der klei­nen Holz­brü­cke Rich­tung Nord­os­ten, erkennt man hin­ter dem Eri­ka-Heß-Eis­sta­di­on den Stand­ort des Phar­ma­un­ter­neh­mens Bay­er-Sche­ring. In die­ser inner­städ­ti­schen und zugleich peri­phe­ren Lage hat­te die­ses einst­mals bedeu­ten­de Ber­li­ner Unter­neh­men (Sche­ring AG) bis vor ein paar Jah­ren sei­nen Stamm­sitz. Vor­ne links kann man das Abspann­werk Scharn­horst (1929) nicht über­se­hen, ein Bau­denk­mal mit expres­sio­nis­ti­schen For­men aus gel­bem Klin­ker. Ursprüng­lich saß in dem Glas­turm auf dem Dach ein Wär­ter, der zu ent­schei­den hat­te, wann die Ber­li­ner Stra­ßen­be­leuch­tung ein- und aus­zu­schal­ten war. Wer dem Pan­kel­auf fol­gen möch­te, soll­te dem Ber­li­ner Mau­er­weg die Boy­en­stra­ße links am Bun­des­wehr­kran­ken­haus ent­lang fol­gen, bis man auf die Mül­ler-/Chaus­see­stra­ße stößt. Man hat hier in den 1980er-Jah­ren ein häss­li­ches Wohn­haus direkt über die Pan­ke gebaut (direkt unter dem Häu­ser­rie­gel gibt es sogar eine klei­ne “Pan­ke­brü­cke”). Hier hat bis in die 1970er Jah­re noch ein gro­ßes Her­tie-Kauf­haus gestan­den, dem aber die ungüns­ti­ge Lage an der Mau­er zum Ver­häng­nis wurde.

Durch den Südpankepark

Kaninchen_StraßeKarte unterer PankelaufWir hal­ten uns jedoch rechts, wo wir sogleich auf den Süd­pan­ke­park sto­ßen. An der Ecke Chausseestr./Liesenstr. befand sich ab Dezem­ber 1963 die ers­te Grenz­über­gangs­stel­le für West-Ber­li­ner. Dies war nach dem Pas­sier­schein­ab­kom­men nur für zwei Wochen mög­lich, wur­de aber gleich von 700.000 Ber­li­nern genutzt, die ihre Ost-Ber­li­ner Ver­wand­ten seit August 1961 nicht mehr sehen konn­ten. Auf der Flä­che des ehe­ma­li­gen Grenz­über­gangs befin­det sich heu­te eine Raum­in­stal­la­ti­on von Kar­la Sach­se: 120 Sil­hou­et­ten von Kanin­chen sind in den Boden ein­ge­las­sen. Man muss genau schau­en, bis man die Umris­se der klei­nen Nager im Teer, zum Bei­spiel des Bür­ger­steigs fin­den kann. Doch zurück in den Park. Die­ser wur­de in den 1950er Jah­ren auf dem Gelän­de einer Braue­rei errich­tet. Hier floss einst die alte Pan­ke, deren Alt­arm unter dem Park in Roh­re ver­legt wur­de. Bis 1868 befan­den sich hier das Aus­flugs­lo­kal und die Fluss­ba­de­an­stalt des Gast­wirts Lie­se, nach dem die Lie­sen­stra­ße benannt ist. Im Park, noch nah an der Lie­sen­str., steht eine Kalk­stein­skulp­tur (“Wie­der­ver­ei­ni­gungs­denk­mal”) von Hil­de­gard Leest aus dem Jahr 1962.

Südpankepark Denkmal LiesenstrAm nörd­li­chen Ende des Parks erkennt man links ein rund­li­ches Gebäu­de, die Rechen­an­la­ge an der Schul­zen­dor­fer Stra­ße. In die­ser auto­ma­ti­schen Anla­ge wird nicht nur Unrat aus der Pan­ke gefischt: hier ver­zweigt sich auch die Pan­ke in ihren Alt­arm und den heu­ti­gen Mün­dungs­arm. Man erkennt deut­lich den run­den Rohr­ein­gang, durch den das Was­ser in den alten Pan­ke­arm gelei­tet wer­den kann. Dafür muss aller­dings ein soge­nann­tes Schlauch­wehr akti­viert wer­den: der Schlauch staut das Was­ser an, und erst dann läuft die Pan­ke über in das Rohr des Altarms.

Die Walter-Nicklitz-Promenade

pankegerichtstrAb hier kann man immer am Was­ser ent­lang den Grün­zug gehen, der hier in den 1950er Jah­ren mit Mit­teln des Mar­shall-Plans ange­legt wur­de. Der Grün­zug wur­de nach Wal­ter Nick­litz, einem Bau­stadt­rat des Bezirks Wed­ding, benannt. Das Erschei­nungs­bild der einst­mals unzu­gäng­li­chen Vor­kriegs-Pan­ke ist hier voll­stän­dig ver­lo­ren gegan­gen – nichts erin­nert mehr an die dich­te Miets­ka­ser­nen­be­bau­ung, die die Pan­ke in einem engen Bett zwi­schen den Hin­ter­hö­fen durch­floss. Durch die­se schlech­te Ein­bin­dung in die Stadt, ver­bun­den mit der star­ken Ver­schmut­zung des Flus­ses, ent­stand der Aus­druck Stin­ke­pan­ke, mit dem das Gewäs­ser vie­le Jah­re belegt wur­de. Heu­te ist durch die Regu­lie­rung und die grü­ne Umge­bung der Pan­ke schwer vor­stell­bar, dass das bei einem Hoch­was­ser stark ange­schwol­le­ne Gewäs­ser 1888 das Fun­da­ment eines Hin­ter­hau­ses an der Schul­zen­dor­fer Stra­ße mit sich riss. Doch auch in heu­ti­ger Zeit kann die Pan­ke über die Ufer tre­ten, nach Stark­re­gen in nur weni­gen Minu­ten, und gro­ße Schä­den anrichten.

Verziertes BrückengeländerEin klei­nes Wehr unter der reich deko­rier­ten Schön­wal­der Stra­ßen­brü­cke bringt ein wenig Abwechs­lung in die nicht sehr natur­nah gestal­te­te Pan­ke. Ursprüng­lich erfolg­te die Tei­lung der Pan­ke in den alten Mün­dungs­arm bzw. in den Schön­hau­ser Gra­ben erst an die­ser Stel­le. Spä­ter wur­de der Abzweig wei­ter süd­lich ver­legt. Die auf der lin­ken Sei­te befind­li­che Kun­kel­stra­ße war ursprüng­lich dop­pelt so breit. Sie wur­de für die Anla­ge des Grün­zu­ges halbiert.

Romantische Ruinen: die WiesenburgNach Über­que­rung der Gericht­stra­ße ändert sich das Bild der Pan­ke aber dra­ma­tisch: zwi­schen Fabrik­ge­bäu­den in einem rot ein­ge­mau­er­ten Kanal ein­ge­klemmt, wird das Flüss­chen hier win­dungs­rei­cher. Die­ser erst 2006 ange­leg­te Lücken­schluss bie­tet auf engs­tem Raum eine neue metal­li­sche Fuß­gän­ger­brü­cke und eine Haus­durch­fahrt durch einen Gewer­be­hof, eine ehe­ma­li­ge Wäsche­fa­brik. Für die Pla­nung zeich­ne­ten übri­gens deut­sche und fran­zö­si­sche Land­schafts­ar­chi­tek­tur­stu­den­ten ver­ant­wort­lich. Auf der rech­ten Sei­te erkennt man die pit­to­res­ke Rui­ne der “Wie­sen­burg”. Dabei han­delt es sich weder um eine Fabrik, wie man ver­mu­ten könn­te, noch um eine Burg – son­dern um ein ehe­ma­li­ges Obdach­lo­sen­asyl aus dem Jahr 1896 (Män­ner­asyl) bzw. 1907 (Frau­en­asyl). Das Beson­de­re an die­sem Obdach­lo­sen­asyl war, dass man für eine Nacht anonym blei­ben konn­te und nicht christ­lich mis­sio­niert wur­de. Sogar der “Haupt­mann von Köpe­nick” und der Schrift­stel­ler Hans Fal­la­da haben (sicher eher unfrei­wil­lig) hier genäch­tigt. Das roman­tisch-ver­fal­le­ne Ensem­ble dien­te auch als Film­ku­lis­se, z.B. für den Film “Die Blechtrommel”.

Ringbahnbrücke PankeHausdurchfahrt Wiesenburg PankeKurz vor der Ring­bahn­brü­cke kann man sogar hin­ab­stei­gen zur mun­ter plät­schern­den Pan­ke und fast schon ver­ges­sen, dass man sich mit­ten in einer Groß­stadt befin­det. Hier ist eine klei­ne Aue ent­stan­den, die zum Vor­bild für die in Zukunft anste­hen­de Teil-Rena­tu­rie­rung der Pan­ke wer­den könn­te. Nach Unter­que­rung der Ring­bahn­brü­cke, die bei ihrem Wie­der­auf­bau Anfang des 21. Jahr­hun­derts eine unschö­ne Lärm­schutz­wand erhielt, gelangt man an die Pank­stra­ße. Auf der rech­ten Sei­te befin­det sich die Her­bert-Hoo­ver-Schu­le, einst das ers­te Wed­din­ger Gym­na­si­um. Das von Stadt­bau­meis­ter Blan­ken­stein 1884–87 errich­te­te Gebäu­de besitzt eine klas­sisch anmu­ten­de Back­stein­fas­sa­de mit einem far­bi­gen Fries.

Hier, an der unwirt­li­chen Pank­stra­ße, schlug einst das Herz des Arbei­ter­be­zir­kes Wed­ding. Und von hier aus geht es wei­ter im zwei­ten Teil, die Pan­ke ent­lang, flussaufwärts…

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

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