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Lebendiger Altbaukiez:
Malplaquetstraße: Die Ausnahmestraße

2. Dezember 2014
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Das Schö­ne am Wed­ding ist, dass er eigent­lich über­all gleich ent­spannt ist. Hier fin­det sich Ber­lin wie unter einem Brenn­glas, aber ganz ohne das Über­dreh­te von Prenz­lau­er Berg, den ange­staub­ten Chic von Char­lot­ten­burg oder das Roll­kof­fer-Geklap­per von Kreuz­berg. An ganz weni­gen Stel­len jedoch trifft die typi­sche Wed­din­ger Schmud­de­lig­keit sogar auf ange­neh­men Life­style, ohne dass gleich ein Rie­sen-Hype dar­aus ent­steht. Die Mal­plaquet­stra­ße ist ein sol­cher Ort – Aus­nah­me­erschei­nung und typi­sche Wohn­stra­ße zugleich.

Wie so oft im Wed­ding soll­te man sich vom schön klin­gen­den fran­zö­si­schen Namen der Stra­ße nicht täu­schen las­sen: 1891 wur­de die Stra­ße, wie die Stra­ßen im gan­zen Kiez, nach Ereig­nis­sen und Per­so­nen des Spa­ni­schen Erb­fol­ge­kriegs (1701– 1714) benannt. Im nord­fran­zö­si­schen Mal­plaquet fand mit 35.000 Toten sogar eine der blu­tigs­ten Schlach­ten der Neu­zeit statt.

Malplaquetstraße

Das süd­li­che Ende der Stra­ße stellt ein viel­ver­spre­chen­des Entrée für den Kiez dar. An der Ecke befin­det sich das „Café Mot­te“. Schon seit Jah­ren steht die­se Ecke für hoch­wer­ti­ge Genuss­mit­tel; der Vor­gän­ger Spi­ri­tus Mun­di war ein Pio­nier in die­sem Teil des Wed­ding. Und in der Tat, auch die intak­ten Alt­bau­ten mit ihren bun­ten Fas­sa­den könn­ten den Ein­druck ver­mit­teln, die Mal­plaquet­stra­ße sei die neue Edelmeile.

Doch was die meis­ten Laden­flä­chen im wei­te­ren Ver­lauf der Stra­ße aus­füllt, sind eher sozia­le Ein­rich­tun­gen, Bera­tungs­stel­len, Ver­ei­ne und Par­tei­lo­ka­le. Die klei­nen drei­ecki­gen Plät­ze, an denen die Quer­stra­ßen abkni­cken, sind seit vie­len Jah­ren Treff­punk­te von Alko­ho­li­kern und sozia­len Rand­grup­pen. „Nervt manch­mal, stimmt“, kom­men­tiert Anwoh­ner Peter auf unse­rer Face­book­sei­te, als es um die Mal­plaquet­stra­ße geht. „Aber das ist auch das Leben – und zwar mit allen Facet­ten, nicht nur den schö­nen. Und die will ich um mich her­um haben, denn es wird sie immer geben.“

Großstadt und Dorf zugleich

er Straße

Phil­ip­pe geht noch wei­ter. Der Wahl­ber­li­ner mit ita­lie­ni­schen Wur­zeln glaubt, dass die sicht­ba­ren Rand­grup­pen das Vier­tel vor explo­die­ren­den Mie­ten schüt­zen kön­nen. Das ist auch drin­gend nötig, denn die Mal­plaquet­stra­ße ist ein attrak­ti­ver Wohn­ort. Hier gibt es die Infra­struk­tur einer gro­ßen Stadt und zugleich die Über­schau­bar­keit eines Dor­fes. “Jeder kennt hier jeden, man redet mit­ein­an­der und ich kann mich auf mein Netz­werk ver­las­sen”, sagt Phil­ip­pe, der an der Ecke Utrech­ter Stra­ße den ita­lie­ni­schen Fein­kost­la­den Par­ma (inzwi­schen nach Kreuz­berg umge­zo­gen) betreibt und selbst seit zwölf Jah­ren in der Mal­plaquet­stra­ße wohnt.  Die Nach­bar­schaft ist enga­giert, es gibt Haus­ge­mein­schaf­ten sowie neue und alte Wohn­pro­jek­te, von denen das “Karl-Schr­a­der-Haus” aus dem Jahr 1906 das bekann­tes­te sein dürf­te. Auch die Haus­ge­mein­schaft in der Nr. 13 a zeigt Per­spek­ti­ven auf, wie sich die Bewoh­ner für ihre eige­nen Inter­es­sen ein­set­zen können.

Quirlig und extrem vielfältig

Eine Metallskulptur zieht sich durch das ganze Café

Was die Mal­plaquet­stra­ße aber am meis­ten von ande­ren Wed­din­ger Stra­ßen abhebt, ist der aus­ge­spro­chen viel­fäl­ti­ge Mix. Mit der Piz­ze­ria “Monella” und dem Lar­go-Café lockt der mitt­le­re Abschnitt der Stra­ße Besu­cher aus der gan­zen Stadt an, die die groß­städ­ti­sche und zugleich dörf­li­che Atmo­sphä­re des bau­lich intak­ten Vier­tels zu schät­zen wis­sen. Auch dank der boden­stän­di­gen Gale­rie-Knei­pe Café More­na und dem alles ande­re als abge­ho­be­nen Kul­tur­ver­ein Mas­tul ist wirk­lich für jeden Geschmack etwas dabei. Doch nicht nur, wenn es um die Abend­ge­stal­tung geht: weit über die Kiez­gren­zen hin­aus bekannt und beliebt ist die thea­ter­be­ton­te Eri­ka-Mann-Grund­schu­le. Und dem Anti­qua­ri­at Macken­sen hat es nicht gescha­det, mit­samt der schö­nen Innen­ein­rich­tung vor ein paar Jah­ren an die Mal­plaquet­stra­ße gezo­gen zu sein. Sogar ein “Mini-Kauf­haus” an der Ecke Ams­ter­da­mer kann der Kiez auf­bie­ten. Eine ver­gleich­ba­re Viel­falt gibt es im Wed­ding höchs­tens im Spren­gel­kiez.  Was viel­leicht noch fehlt, ist ein Lebens­mit­tel­la­den. Und abge­se­hen von ein paar Stra­ßen­bäu­men ist das dicht bebau­te Vier­tel alles ande­re als grün. Zumin­dest ist heu­te weni­ger Müll auf der Stra­ße als frü­her: “Als ich hier­her zog, lag im Som­mer noch der Sil­ves­ter­dreck in den Ecken”, erin­nert sich Phil­ip­pe. Auch waren Kri­mi­nel­le im Stra­ßen­bild sicht­bar – was sich deut­lich geän­dert habe. Inzwi­schen fällt es schwer, alles auf­zu­zäh­len, was es an Gas­tro­no­mie, Nach­bar­schafts­in­itia­ti­ven und sozia­len Ein­rich­tun­gen in der Mal­plaquet­stra­ße gibt.

Eben eine rich­ti­ge Aus­nah­me­erschei­nung, die Straße!

Karte Leopoldplatz Osramhöfe

Café Mot­te- Naza­reth­kirch­str. 40/Ecke Malplaquetstr.

Pin­go­li­no Eis­ca­fé, Mal­plaquetstr. 42

Lino’s Bar­be­cue, Mal­plaquetstr. 43

Cafe Lar­go, Mal­plaquetstr. 33

Anti­qua­ri­at Macken­sen, Mal­plaquetstr. 13

Monella Mal­plaquetstr. 16 b Ecke Lie­ben­wal­der Str.

MiniK­auf­haus Mal­plaquet-/Ams­ter­da­mer Str.

Mas­tul  Lie­ben­wal­der Str. 33

Café More­na Mal­plaquetstr. 25

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

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