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Urig-schön am See:
Wedding am Wasser: Fischerpinte – das Prinzip Eckkneipe

Ausflug in eine andere Welt
13. Juli 2017
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Fischerpinte 3

Der Arti­kel über einen dro­hen­den Abriss befin­det sich hier: Älter als Groß-Ber­lin: Boots­ver­leih am Plöt­zen­see darf nicht verschwinden!


Die Boo­te kla­ckern gegen­ein­an­der, das Was­ser plät­schert lei­se am See­ufer, der auf­dre­hen­de Wind säu­selt durch die Blät­ter der Bäu­me– oder ist das der Lärm der nahen Stadt­au­to­bahn? Man sieht sie ja nicht und kann auch nicht glau­ben, dass es sie nur hun­dert Meter weit tat­säch­lich gibt. Die­ser Ort an der Süd­spit­ze des Plöt­zen­sees ist einer der unge­wöhn­lichs­ten von Ber­lin-Mit­te und eine ein­zi­ge Bestä­ti­gung dafür, dass die Kli­schees über den Wed­ding nicht wahr sind. Zumin­dest, was das gän­gi­ge Bild vom grau­en Häu­ser­meer angeht.

Foto Andar­as Hahn

Und doch ist die Fischer­pin­te, wie der Boots­ver­leih mit ange­schlos­se­nem Knei­pen­be­trieb heißt, eines der letz­ten Relik­te des alten Schult­heiß-Wed­ding. Um in die­sen Mikro­kos­mos ein­zu­tau­chen, muss der Besu­cher einen abschüs­si­gen Weg ein paar Meter hin­ab­stei­gen und durch das schma­le, zuge­wu­cher­te Por­tal tre­ten. Die bei­den Betrei­ber der Fischer­pin­te, Moni­ka und Wolf­gang Düring, ver­brin­gen jahr­aus, jahr­ein, seit über zwan­zig Jah­ren, ihre Tage an der Süd­spit­ze des Sees. Das Prin­zip der unge­zwun­ge­nen Wed­din­ger Eck­knei­pe haben die robus­te, blon­de Wir­tin Anfang 60 und ihr Mann auf ihr Refu­gi­um am Was­ser über­tra­gen. Stamm­gäs­te und die Mie­ter der Leih­boo­te las­sen sie ger­ne an der Schön­heit ihrer aus der Zeit gera­te­nen Oase teil­ha­ben. Der raue, rup­pi­ge Charme, für den der Wed­ding schon immer stand, geht hier eine kurio­se Ver­bin­dung mit der land­schaft­li­chen Schön­heit des 7 Hekt­ar gro­ßen Plöt­zen­sees ein.

Gedie­gen oder hip ist an die­sem ursprüng­li­chen Boots­haus gar nichts, den Tret- und den Ruder­boo­ten sieht man ihr bibli­sches Alter an. Das ist hier die Ver­wirk­li­chung eines Lebens­traums zwei­er Wed­din­ger, kein Pro­jekt für die Ewig­keit. Und doch muss man dank­bar sein, dass es so einen Ort wie den Boots­ver­leih, mit den Plas­tik­stüh­len direkt am Was­ser, den uri­gen Tre­sen im Boots­haus noch gibt. Die 70er Jah­re, und auch man­cher Schla­ger die­ser Zeit, wer­den hier noch leben­dig bewahrt – so lan­ge wie die bei­den Wed­din­ger Urge­stei­ne noch wol­len, noch kön­nen und von behörd­li­cher Sei­te im Land­schafts­schutz­ge­biet noch dürfen.

Fischerpinte Bootsverleih
Foto Andar­as Hahn

Doch ein ech­ter Geheim­tipp scheint die Fischer­pin­te im Som­mer nicht mehr zu sein. Gera­de kehrt ein jun­ges aus­län­di­sches Paar mit dem Tret­boot zurück –mit eng­lisch­spra­chi­gen Zuru­fen wer­den sie von der Aus­hil­fe an den Steg gelotst, wo das Boot mit der Stan­ge an sei­nen Platz gescho­ben wird. Boot­fah­ren als Kon­trast­pro­gramm zum nächt­li­chen Club­be­such – wie die Tou­ris­ten von die­sem Ort wohl erfah­ren haben? Und ob sie wis­sen, dass sie hier gera­de ein viel authen­ti­sche­res Stück Ber­lin genie­ßen, als ihnen viel­leicht bewusst ist?

Fischer­pin­te

Nord­ufer 23, am Weg des rech­ten Ufers des Plötzensees

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

6 Comments

  1. Hal­lo Weddinger,
    ich bin ja lei­der kei­ner, kom­me aus Bies­dorf. Aber mei­ne Eltern haben “um die Ecke” da nahe der Plöt­ze gewohnt, und so ken­ne ich den See auch. Kann nur eins sagen: SCHAAADE, dass die Pin­te weg soll, wenn der Päch­ter nicht mehr ist.
    Ist ja Bezirks­sa­che, des­halb kann ich nicht unter­schrei­ben. Aber ich kann alle in Mit­te dazu aufrufen:
    Seht zu, dass die Fischer­pin­te erhal­ten bleibt, holt euch die Lis­te und unterschreibt !

  2. Ich woll­te da ein Boot mie­ten – als die Moni­ka gemerkt hat dass mei­ne Freun­de Aus­län­der sind wur­de uns dies ver­wei­gert. Wir wur­den am Ende noch beschimpft. Mei­ne Freun­de wol­len nicht mehr in denn Wedding.

    • Trotz­dem beob­ach­te ich Som­mer für Som­mer an unter­schied­lichs­ten Tagen Tou­ris­ten und “Aus­län­der” jeder Alters­grup­pe beim Boot fah­ren, Bier trin­ken, Brat­würst­chen essen und auf dem Steg sitzen.

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