Mastodon

Müller42 #5: Die Aktivisten

7. April 2020

Der Wed­ding. End­li­che Wei­ten. Dies sind die Aben­teu­er der Bewoh­ner des Wohn­hau­ses in der Mül­lerstra­ße 42, die schon oft zuvor da gewe­se­ne Gen­tri­fi­zie­rung bekämp­fen und dahin gehen, wo schon vie­le Wed­din­ger zuvor gewe­sen sind. 

Eine Fort­set­zungs­ge­schich­te von Ruben Faust und Net­hais Sandt 

 

Was bis­her geschahMelina (Musik­stu­den­tin) muss mit gro­ßem Schre­cken fest­stel­len, dass ihr Fahr­rad geklaut wur­de. Nach einer erfolg­lo­sen Suche durch den Wed­ding ent­schließt sie sich, einen Trost- Döner in „Moham­mads Döner Store“ essen zu gehen. Dabei hört Moham­mad, Inha­ber des Döner­la­dens und all­seits bekann­ter „Mann des Ver­trau­ens“, ihren Sor­gen gedul­dig zu.  Der Haus­meis­ter Herr Brown küm­mert sich der­weil um die Was­ser­la­che, die er ver­se­hent­lich im Haus­flur erschaf­fen hat. Frau Faterl (ehe­ma­li­ge Baye­rin) schlägt sich mit den Pro­ble­men einer Mathe­leh­re­rin her­um . Der Stu­dent Phil wacht dann eines Tages schon wie­der nackt im Bett mit sei­ner Mit­be­woh­ne­rin Melina auf. Zu allem Übel fällt ihm dann auch noch ein, dass er in einem Moment der Für­sor­ge, ihr Fahr­rad weg­ge­stellt hat. (Fol­ge 1: Das Fahr­rad) (Fol­ge 2: Die Was­ser­la­che) ( Fol­ge 3: Die Leh­re­rin) (Fol­ge 4: Das Gefühl)

 

Albert beginnt damit, die Tel­ler vom Früh­stück mit sei­ner Fami­lie abzu­wa­schen. Sei­ne klei­ne Toch­ter rennt aus dem Zim­mer. Sie hat ihr Din­kel­brot mit vege­ta­ri­schem Brot­auf­strich nicht essen wol­len, wes­we­gen es immer noch auf dem Tel­ler liegt. “Ach, Albert. Ich bin ja so stolz auf sie. Habe ich dir schon erzählt, dass Eli­sa in der Kita schon wie­der ein so wun­der­schö­nes Bild gemalt hat?”, fängt sei­ne Freun­din Ele­na an zu erzäh­len. Sie zeigt auf den Kühl­schrank, an dem ein Bild mit drei Strich­männ­chen und einer Son­ne klebt. “Ja, eine rich­ti­ge Künst­le­rin ist die Klei­ne”, ant­wor­tet Albert, “Ich mache mir aber auch Sor­gen. Hast du den Brief von der Ver­wal­tung schon gese­hen?” – “Natür­lich. Wir haben ihn doch gemein­sam gelesen.”

Ges­tern.  Albert öff­net den Brief von der Haus­ver­wal­tung. “Sehr geehr­te Bewoh­ner der Mül­lerstra­ße 42. Wir möch­ten Sie dar­auf hin­wei­sen, dass wir auf­grund des undich­ten Dachs am 7.Mai eine Mie­ter­ver­samm­lung abhal­ten wer­den. Wir bit­ten um zahl­rei­ches Erscheinen.”

Heu­te. “Bestimmt wol­len die das Haus sanie­ren und dann alle raus­wer­fen”, sagt er dann. “So hat’s an der Schön­hau­ser damals auch ange­fan­gen.” “Ich hab mir dazu auch schon Gedan­ken gemacht. Lass uns doch ein paar klei­ne Fly­er und Pla­ka­te auf­hän­gen!”, ant­wor­tet sei­ne Freun­din. Wenig spä­ter ste­hen bei­de unten und hän­gen ein Pla­kat mit der Auf­schrift: “Wir gehen nicht!” auf. Gleich neben dem Pla­kat mit der Auf­schrift: “Atom­kraft – nein dan­ke” und einem wei­te­ren, auf dem “Flug­lärm macht krank – TXL muss schlie­ßen!” steht. In die­sem Augen­blick kommt der Haus­meis­ter Herr Brown und beschwert sich wie­der dar­über, dass man eigent­lich kei­ne Pla­ka­te im Haus­flur auf­hän­gen soll: “Ver­ste­hen Sie doch, es ist sehr anstren­gend, jede Woche wie­der drei Ihrer komi­schen Pla­ka­te abzu­hän­gen.” – “Aber es geht hier um wich­ti­ge Din­ge, die uns alle betref­fen! Wir müs­sen uns doch ver­sam­meln dür­fen, habe ich nicht recht?”, ent­geg­net Ele­na. Albert stimmt ihr zu. Doch der Haus­meis­ter ist ande­rer Mei­nung. “Da kön­nen wir eh nichts gegen tun, das Haus wird reno­viert wer­den müs­sen, also brau­chen Sie die­ses Pla­kat gar nicht erst auf­hän­gen”, sagt er. Das Paar schaut ihn kurz mit einem Blick an, der aus­sagt, wie genervt es gera­de von Herrn Brown ist. Die­ser scheint gemerkt zu haben, dass er die­se Dis­kus­si­on ver­lie­ren wird. “Mit die­ser Ein­stel­lung…”, beginnt Albert sein Gegen­ar­gu­ment. In die­sem Moment reißt ihn der Stu­dent von ganz oben aus den Gedan­ken. Er hech­tet die Trep­pen her­un­ter und unter­bricht abrupt das Gespräch: “Ent­schul­di­gen Sie, Herr Brown. Haben Sie zufäl­li­ger­wei­se ein blau­es Fahr­rad im Kel­ler ste­hen sehen?”, fragt er dann. “Ähm… Hal­lo? Wir waren gera­de noch dabei, hier ein Gespräch zu füh­ren!”, fängt Ele­na an und atmet schon tief ein, kurz davor ihn anzum­eckern, doch Albert hält sie davon ab. “Komm Schatz, der jun­ge Mann hat doch nur eine ganz kur­ze Fra­ge gestellt. Er hat es doch nicht böse gemeint.” – Inzwi­schen hat Herr Brown geant­wor­tet, dass das Fahr­rad wohl im Kel­ler steht, und Phil ist schon wei­ter gegan­gen. Der wirk­te mal wie­der so ver­wirrt und viel zu abge­lenkt, um mit­zu­be­kom­men, dass Ele­na ihn nicht wirk­lich mag. Der Wider­stand des Haus­meis­ter ist zwi­schen­zeit­lich gebro­chen, und er sagt: “Nun gut. Hän­gen Sie ihre Pla­ka­te auf. Aber dann sind Sie auch für die Wän­de ver­ant­wort­lich!” Zufrie­den dreht sich Ele­na um, reißt ein Stück von dem Tes­a­band ab und klebt mit die­sem das Pla­kat fest.

 

Albert sitzt auf der Bank auf dem Spiel­platz und schaut sei­ner klei­nen Toch­ter dabei zu, wie sie ver­sucht, ihren ‘Kuchen’ an ande­re Kin­der zu ver­kau­fen. “Wel­ches von denen ist ihres?”, fragt eine Mut­ter plötz­lich und setzt sich neben ihn. “Das mit dem Ein­kaufs­la­den. Ganz der Papa!”, ant­wor­tet er. Die Mut­ter stellt sich als Aria­ne vor und zeigt auf ihren Sohn, der wohl gera­de auf dem Klet­ter­ge­rüst sitzt und sich nicht wie­der her­un­ter­traut. Sie sei gera­de erst her­ge­zo­gen- jetzt sucht sie wohl nach Freun­den für ihren Sohn. “Eli­sa wür­de sich bestimmt freu­en. Wol­len Sie irgend­wann mal auf einen Kaf­fee vor­bei­kom­men?”, fragt Albert dann. Die bei­den Eltern­tei­le unter­hal­ten sich noch eine Wei­le, bis Aria­ne erklärt, war­um sie umzie­hen muss­ten. “Es war wirk­lich wun­der­schön in der alten Woh­nung. Wir haben direkt neben der Kita gewohnt, und die Mie­te war bezahl­bar. Aber dann muss­ten die Blei­roh­re aus­ge­tauscht wer­den, sie haben das gan­ze Haus saniert und die Mög­lich­keit gleich genutzt, um die Woh­nun­gen danach als Eigen­tums­woh­nun­gen zu ver­kau­fen”, beschreibt sie ihre Situa­ti­on. “Das ist ja ein Ding”, sagt Abert. “Bei uns gab es auch gera­de ein Schrei­ben, das dar­auf hin­weist. Ich mache mir echt Sor­gen.” – “Am Sams­tag ist am Leo­pold­platz eine klei­ne Demo gegen Gen­tri­fi­zie­rung geplant… Also wenn Sie mit­kom­men möch­ten?” Albert ist sich sicher, dass es das ist, was es jetzt braucht: Poli­ti­scher Wil­le. Das kann so nicht weitergehen!

 

Als er wie­der zu Hau­se ist, fängt er an ein wei­te­res Pla­kat vor­zu­be­rei­ten. “Schatz. Wir wer­den uns hier­ge­gen weh­ren. Und das gan­ze Haus gleich mit”, erklärt er sei­ner Frau, “Ich habe unse­ren lie­ben Mit­be­woh­nern­schon einen Brief in den Brief­kas­ten geworfen.”

 

Sehr geehr­te Mit­be­woh­ner des Hau­ses Mül­ler 42!
Wie wir alle wahr­schein­lich mit­be­kom­men haben, gibt es im Mai eine Mie­ter­ver­samm­lung zur Bespre­chung der Repa­ra­tur des undich­ten Dachs. Das lässt sich im Moment in der gan­zen Stadt beob­ach­ten: Immer mehr Ver­wal­tun­gen wol­len die Mie­ter raus­wer­fen und suchen nur noch nach Grün­den dafür. Wir müs­sen uns wehren!
Wir sind nicht nur irgend­wel­che Mie­ter, das ist nicht nur irgend­ein Haus: Das ist unser Haus! Arbei­ten wir dafür!
- Eurer Albert K.

Fort­set­zung folgt!

Alle Figu­ren und Namen sind rein fik­tio­nal und jede Über­ein­stim­mung mit der Rea­li­tät ist nur zufällig.

Müller42 ist eine Wed­ding­wei­ser-Text­rei­he von Ruben Faust und Net­hais Sandt. Sie wird immer diens­tags und frei­tags weitergeführt.

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

MastodonWeddingweiser auf Mastodon
@[email protected]

Wedding, der Newsletter. 1 x pro Woche



Unterstützen

nachoben

Auch interessant?